Farhad Showghi: Anlegestellen für Helligkeiten
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Andreas Hutt
Farhad Showghi: Anlegestellen für Helligkeiten. Berlin (kookbooks Verlag) 2021. 96 Seiten. 19,90 Euro.
Ressorts von Licht
„Anlegestellen für Helligkeiten“ nennt der in Hamburg lebende Autor Farhad Showghi seinen im Herbst 2021 beim Kookbooks Verlag erschienenen Gedichtband, dessen erstes Gedicht „Anmerkungen zur Grenze des Gesichtsfeldes“ eine programmatische Funktion für das gesamte den Texten innewohnende Projekt einzunehmen scheint.
Das lyrische Ich setzt darin das Sprechen mit „einen Namen machen“ gleich, also mit einer Identitätsfindung. Doch diese Suche im Sprechen misslingt. Das Ich verspürt ein „mundfernes Sprechgefühl“, fragt sich selbst, wie es auf die „Teile von Worten“ kommt, die sich im Sprechen konstituieren. Als Konsequenz daraus möchte das lyrische Ich sich darauf beschränken, „erst einmal Geräusche zu machen, entlastende“, weil auch diese eine Aussagekraft über den Sprechenden beinhalten: „sie werden über dich reden.“ D.h. dass selbst der nicht den Regeln der Syntax oder Semantik folgende Sprechakt, „Geräusche“, eine Aussagekraft über den Sprechenden besitzen, ganz im Sinne von Watzlawicks Diktum, man könne nicht nicht kommunizieren. Alles, was man zu äußern vermag, weist auf den Sprechenden zurück, gibt Auskunft über ihn.
Im zweiten Teil dieses Eingangsgedichtes charakterisiert Showghi das zweite zentrale Element seines Gedichtbandes: „kein Hinschauen willst du übersehen/ Keine Helligkeiten, die sich an Hecken lehnen.“ Das Schauen wird zum kategorischen Imperativ: alles muss wahrgenommen und in der Folge versprachlicht werden. Genauigkeit ist gefragt bis zu Selbstzweifeln des lyrischen Ichs: „Ist da ein Schauen dem Sprechen entkommen?“
Die meisten
Gedichte in Showghis Band sind mit „Fehler im Traum“ übertitelt. Dabei besteht der
„Fehler im Traum“ darin, dass das lyrische Ich keine surrealen Erfahrungen
schildert, sondern sich „ins Sprechen“ träumt. Die beiden Kategorien Schauen
und Sprechen werden hier als Grundkonstanten des Poetischen fruchtbar gemacht.
Das lyrische Ich schaut, äußert sich darüber, verortet sich im Sprechen,
versucht sich seiner bewusst zu werden und wendet sich wieder neuem Hinschauen
zu. Dabei thematisiert es permanent seine Körperlichkeit, indem es emblematisch
Glieder benennt: Beine, Arme, Gesicht, Hand, Zunge, Gaumen, aber auch Ärmel oder
Hosen in ähnlicher Funktion. Was vom Körper des lyrischen Ichs sich in sein
Gesichtsfeld drängt, wird gern wahrgenommen, nicht ohne dass sich die
Körperlichkeit des Sprechenden gelegentlich auflösen kann. „Ich lasse mich
gehen,/ zu meinem Stehen,/ schaue nach,/ wo ich mich,/ auch viel weiter vorn,/
noch mit mir überschneiden kann.“ (Fehler im Traum III)
Ähnlich verfährt
das lyrische Ich bei der Beschreibung seiner Umgebung, insbesondere der Natur.
Das Umfeld des Sprechenden wird durch Nennung von Nomen evoziert: Garten, Äste,
Regen, Wolke, Wind, Bäume, Blätter, aber auch Licht. Damit wird deutlich, dass
es dem Autor nicht um eine Darstellung der Realität geht, sondern um eine
traumhaft sprachliche Verortung des lyrischen Ichs, eine grob skizzierte
Umgebung, in der alles vage und fließend bleiben kann.
Vielleicht
sollte man darüber nachdenken, ob es Sinn macht, den Begriff Ontologie nicht
nur als philosophische, sondern auch als poetische Kategorie einzuführen. Wenn
man sich dazu ent-schließt, kann man Farhad Showghi als Großmeister der
poetischen Ontologie betrachten. Seine Gedichte sind wahrhaft „Anlegestellen
für Helligkeiten.“
Schnee, Wind. Und der Blickaus dem Fenster will nocheine weitereAussage treffen.Es geht jetzt um Betonungeines Satzes wieIch führe den Daumen an die Fingerspitze.Inmitten ganz andererGedanken,die den Stellenwert von Wolkenneben Geäst berühren,den Stellenwert eineslinks oben harrendenÜber-Hecken-und-Köpfe-hinweg.