Direkt zum Seiteninhalt

Emily Brontë: Drei Gedichte

Montags=Text
Emily Brontë

Drei Gedichte
übersetzt von Günter Plessow


Stanza

Often rebuked, yet always back returning
To those first feelings that were born with me,
And leaving busy chase of wealth and learning
For idle dreams of things which cannot be :

To-day I will seek not the shadowy region ;
Its unsustaining vastness waxes drear ;
And visions rising, legion after legion,
Bring the unreal world too strangely near.

I’ll walk, but not in old heroic traces,
And not in paths of high morality,
And not among the half-distinguish’d faces,
The clouded forms of long-past history.

I’ll walk where my own nature would be leading :
It vexes me to choose another guide :
Where the grey flocks in ferny glens are feeding,
Where the wild wind blows on the mountain side.



Die Welt ist irreal––das weiss ich ja

Wie oft werd’ ich nun noch umkehren müssen ?
Hab’s ja gespürt von allem Anfang an :
die wilde Jagd nach Wohlstand, Weisheit, Wissen
ist eitel Traum, der wahr nicht werden kann.

Schau’ heut nicht mehr in schattige Regionen :
zu weit, zu unabsehbar ist es da ;
was sagen mir Legionen von Visionen ?
Die Welt ist irreal––das weiß ich ja.

Geh’ meinen Weg, doch nicht auf alten Spuren,
heroischen, moralischen––und nicht
umwölkt und fehlgeleitet von Lemuren,
Halbheiten, überlebt, ohne Gesicht.

Geh’ meinen Weg––lass’ mich nun nicht mehr leiten,
von keinem, folge nur meiner Natur :
wo fern im Tal die grauen Herden weiden,
wo wild der Wind weht über Hang und Flur.



Last Lines

No coward soul is mine,
No trembler in the world’s storm-troubled sphere :
I see Heaven’s glories shine,          
And faith shines equal, arming me from fear.

O God within my breast,
Almighty, ever-present Deity !
Life––that in me has rest,
As I––undying Life––have power in Thee !

Vain are the thousand creeds
That move men’s hearts :  unutterably vain ;
Worthless as wither’d weeds,
Or idlest froth amid the boundless main,

To waken doubt in one
Holding so fast by Thine Infinity ;
So surely anchor’d on
The steadfast rock of immortality.

With wide-embracing love
Thy Spirit animates eternal years,
Pervades and broods above,
Changes, sustains, dissolves, creates, and rears.

Though earth and man were gone,
And suns and universes ceased to be,
And Thou were left alone,
Every existence would exist in Thee.

There is no room for Death,
Nor atom that his might could render void :
Thou––Thou art Being and Breath,
And what Thou art may never be destroyed.


Letzte Zeilen

Ein Feigling bin ich nicht,
selbst wenn du, Seele, sturmgebeutelt, bangst :
seh’ ich Himmels helles Licht,
wappnet mein Glaube mich wider die Angst.

O Gott, du Allgewalt,
ewige Gegenwärtigkeit in mir !                                     
Ich finde Kraft und Halt––
unsterbliche Lebendigkeit––in Dir !

Leer das Bekenntnis, das
Tausende umtreibt––wie unsagbar leer,
wertlos, verwittert––was
wie Schaum, wie Gischt treibt auf dem Meer,

weckt keinen Zweifel, wo
eine in Deine Unabsehbarkeit
den Anker wirft, denn so
fest steht der Fels Deiner Unsterblichkeit.

Dein Geist umgibt, belebt
mit Deiner Liebe, stiftet, stützt, verwandelt,
erschafft, erlöst, erhebt,
enthebt der Zeit mich––weil er zeitlos handelt.

Und wär der Mensch dahin,
Sonnen und Universen nicht mehr da,
dann läge Sein und Sinn
allein in Dir––Du existiertest ja !

Für Tod ist da kein Raum,
Du––Du bist Sein, bist Odem, was Du bist,
wächst wie ein Lebensbaum,
kein Stäubchen stirbt, es ist und ist und ist.



The Prisoner

Still let my tyrants know, I am not doom’d to wear
Year after year in gloom and desolate despair ;
A messenger of Hope comes every night to me,
And offers for short life, eternal liberty.

He comes with western winds, with evening’s wandering airs,
With that clear dusk of heaven that brings the thickest stars :
Winds take a pensive tone, and stars a tender fire,
And visions rise, and change, that kill me with desire.

Desire for nothing known in my maturer years,
When Joy grew mad with awe, at counting future tears ;
When, if my spirit’s sky was full of flashes warm,
I knew not whence they came, from sun or thunder-storm.

But first, a hush of peace––a soundless calm descends ;
The struggle of distress and fierce impatience ends.
Mute music soothes my breast––unutter’d harmony
That I could never dream, till Earth was lost to me.

Then dawns the Invisible ;  the Unseen its truth reveals ;
My outward sense is gone, my inward essence feels ;
Its wings are almost free––its home, its harbour found,
Measuring the gulf, it stoops, and dares the final bound.

O dreadful is the check––intense the agony––
When the ear begins to hear, and the eye begins to see ;
When the pulse begins to throb––the brain to think again––
The soul to feel the flesh, and the flesh to feel the chain.

Yet I would lose no sting, would wish no torture less ;
The more that anguish racks, the earlier it will bless ;
And robed in fires of hell, or bright with heavenly shine,
If it but herald Death, the vision is divine.



Die Angekettete

So wisst, Tyrannen, ich bin nicht verdammt, jahrein
jahraus verzweifelt einsam und verzagt zu sein ;
ein Bote, der mich heimsucht jede Nacht, verheißt
mir Hoffnung :  nach der Frist des Lebens––freien Geist.

Kommt, wenn der laue Westwind weht, der Abend dunkelt,
der Himmel klar wird und vor lauter Sternen funkelt :
Wind, der versonnen klingt, Sternen, die sanft erglüh’n
und Visionen wecken, Sehnsucht nach sich zieh’n,

Sehnsucht––wonach ?  was wüßte ich denn noch vom Sehnen ?
wenn Freude wie im Wahn die Zukunft scheut und Tränen ?
wenn ich, gereift, mich frag, woher stammt meine Hitze ?
brennt so das Sonnenlicht ?  bestürmen mich die Blitze ?

Doch still zuerst !––tonlose Ruhe sinkt herab :
Leid, wildes Ungenügen fallen von mir ab ;
meine Musik bleibt stumm––die Harmonie, die ich
nie träumen konnte––Erde ? mir entzieht sie sich.

Unsichtbar ?––Ungesehenes wird nun enthüllt ;
mein Außensinn ist hin, mein Innensein, es fühlt
sich so beschwingt, so frei, schwebt überm Abgrund und
findet darin den Hafen, wagt den letzten Bund.

Schreckliche Prüfung––schon ist es um mich geschehen,
wenn das Ohr beginnt zu hören, und das Auge beginnt zu sehen :
wenn der Puls beginnt zu pochen––das Gehirn zu denken hätte––
die Seele, das Fleisch zu fühlen und das Fleisch, zu fühlen die Kette !

Mich hält kein Stachel auf, ich geh der Qual entgegen :
je schmerzlicher sie quält, je eher bringt sie Segen ;
verbrennt mich Höllenglut, verklärt mich Himmels Schein,
verkündet Tod––gleichviel––mein Gott wird mich befrei’n.


Zurück zum Seiteninhalt