Elisabeth Sharp McKetta: Drei Gedichte, übersetzt von Anna Ospelt
Elisabeth Sharp McKetta


Anna Ospelt
Elisabeth Sharp McKetta
Drei Gedichte
übersetzt von Anna Ospelt
Erkundung
Nur einmal liebten wir uns auf einem Atlas, und zwar auf den Seiten Alaskas. Später betrachteten wir die Topographie. Die aufgespulten Landfalten, die unmittelbaren Seen und Varianten von Grün. Wir waren noch nie dort gewesen, doch innerhalb eines Nachmittags zerstörten wir Ankerplätze, gruben Schluchten durch die Endicott Mountains und ein Loch ins Beringmeer.
Karamellkonfekt
Meine Grossmutter sitzt an der Kante ihres Betts
während ich Papiere hochhalte
ihre begonnenen Wegstrecken
in den Händen halte
Ordner voller Fehlstarte
Ideen für den Garten, halbgeschriebene Gedichte
ein Lebenswerk aus Geheimnissen:
wen sie vor ihm liebte und wieso
sie diese kleine Schildkröte aus Glaslava in ihrer Handtasche aufbewahrt
die ruhigen Muschelschalen
in ihrem Zimmer. Ich kenne sie
zu gut, um sie nach etwas zu fragen
etwas anderes
als ich, mein Vater, mein Grossvater
wir wissen.
Wir behalten schlussendlich
Dessertrezepte
für Hunderte von Gästen
einige brüchige Samen-Packungen
ein Tagebuch
dem die meisten Seiten fehlen und
ein Bündel Briefe
das sie mich bittet
in den Mülleimer zu werfen.
Wasserkinder
Ich habe gelesen, dass in Japan Fehlgeburten
Wasserkinder genannt werden: Kreaturen, die
diesen ersten Ozean nie verlassen
Kinder die
ihre Luft zu lange anhalten und
nie zu atmen lernen die
aus der Flüssigkeit segeln, sowie sie hineingesegelt sind:
Ein kaputtes Schiff
in zerbrechender Flasche. Letzte Nacht
träumte ich, du seist zerborsten und
ich musste alles von neuem beginnen
das Erträumen von Namen
das gewaltsame Öffnen meines Herzens
diese umgekehrte Seekrankheit.
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