Donata Berra: Maddalena
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Timo Brandt
Donata Berra: Maddalena. Gedichte. Italienisch / deutsch.
Übersetzt von Christoph Ferber. Zürich (Limmat Verlag) 2019. 146 Seiten. 38,00
Euro.
Anrufungen mit spielerischem
Zorn
„Als es wegfuhr, ließ auf der Glätte des Wassersdas Schiff einen Streifen mit breiter Locke,und goldenen Glühwürmchen,einer Fülle flüssiger Sterne,von der Woge verschluckt und wieder entzündet,und Eisschaum und Meeresflocken,Embleme gewundener Spiegel,entschwindend und wider erschimmernd,in Glitzer- und Luftsplittergelöst;“
Mit „Maddalena“ von Donata Berra ist im Frühjahr letzten
Jahres ein weiterer Band mit Übersetzungen von italienischsprachiger Lyrik beim
Limmat Verlag erschienen, wo Christoph Ferber (und Felix Philipp Ingold und
andere) seit einigen Jahren fremdsprachige (meist italienische oder
französische) Gedichte (meist aus dem Umfeld oder mit Bezug zur Schweiz)
übersetzen und herausbringen.
In der Lyrik von Berra betreten wir eine Welt voller
Lautmalereien und reduziert-pointierter Finesse, atmosphärisch unterfüttert mit
ein paar Moll-Tonlagen und einigen wunderbar feingliedrigen Beschreibungsbögen.
Wie der Lyriker Pietro De Marchi in seinem Nachwort hervorhebt, zielen die
spielerischen Elemente ihrer Dichtung (und der Spott dahinter) nicht selten auf
selbstherrliche Männlichkeitsbilder ab.
So beispielsweise auch im Titelgedicht, in dem jedes Wort,
als Verweis auf den „machismo“, mit M beginnt (im Original und in der nun
folgenden Übersetzung von Christoph Ferber):
„Mitternacht mahnt. Muntere Männer,Möchtegern-Machos, Musketiere mit Muskeln,machen Mädchenmürbe.Mich? – Meinste?Mir machens Mitleid!Mir mangeltmein Mini-Mann, mein Mignon, mein Mümmelmann,meine milchige Mager-Mimose.“
Natürlich sind solche, an Oulipo-Texte erinnernde,
selbstauferlegte Beschränkungen mitunter schwer zu übersetzen. Das gilt, so
zumindest behauptet De Marchi, generell für die Wortmusik von Berra.
Im Kern ihrer Gedichte, so zitiert er sie selbst im
Nachwort, schlummern meist Satzfetzen, etwas Aufgeschnapptes, an der Peripherie
der Gedanken Aufgetauchtes, um das sie ihre Gedichte aufbaut, sich mithilfe von
Assonanzen, von Wort zu Wort hangelnd oder in Widersprüche hineinbegebend,
meist ohne auf einen konkreten Sinngehalt abzuzielen – vielmehr umringt sie den
Eindruckskern mit schillernden bis sanften Ausdrucksversuchen, aus denen irgendwann
ein Gedicht geworden ist, in dem den ursprünglichen Kern allerhöchstens noch
der Hauch einer Pointe umgibt.
So entstehen sinnliche Litaneien, Anrufungen mit viel
Schattengehalt und schwer auszu-machenden Lichtquellen, darin Spuren von
Bedeutung, denen man entlang der Worte folgen kann.
Am meisten Freude bereiten wird deutschsprachigen
Leser*innen jedoch, meiner Einschätzung nach, die Art, wie Berra immer wieder,
Nuance für Nuance, Abläufe und Bilder beschreibt (wie etwa im ersten Zitat und
im folgenden):
„Zögernd nur senkt von den Simsensich ein ängstlicher Abend,als könnte die stumme, übers Meer hinzitternde Helle keine Dämmerung finden.Zu den Schwellen der Häuser sendeter dunstige, unsichere Schatten,jung und ihrer heimtückischen, feinenKräfte noch nicht bewusst.“
Selbst mit den hier beschriebenen Vorzügen ist Berras Lyrik
noch nicht ausgeschöpft. Es gibt sehr kurze Gedichte, in denen ein lyrisches
Ich seine Selbstbestimmung erprobt, und eindringlich-ausschweifende Zyklen,
feinen Witz und Texte, die fast wie kleine Exkurse erscheinen. In manchen
Texten geht es um Einsamkeit und Verzicht, in anderen um die Schönheit einer
Mandel, den Alltag in der Zeitlupe, die Verlassenheit, die eine Freiheit
ausstrahlt.
Kurzum: „Maddalena“ ist einer dieser Bände, in denen es viel
zu entdecken gibt, sowohl sprachlich als auch inhaltlich.
„In der Fülle des Tages verliert sich mein Schmerz,bevor ihn die Strömung vollendet,doch dann, in der Höhe der Nacht, leuchtetin Ringen er einsam im Mondrund.“