Daniele Pantano: Dogs in Untended Fields / Hunde in verwahrlosten Feldern
Jan Kuhlbrodt
Die Stadt in der Schweiz, die ich verließ, ist nie zu schreiben
Mit diesen Worten beginnt die dritte Strophe des Gedichtes Die Stadt schreiben und weist damit auf einen Topos hin, der vielleicht nicht exklusiv für Schweizer Literatur steht, aber dort immer wieder Werke grundiert, man denke an Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt und deren Auseinandersetzung mit der Herkunft, ihren Zwängen und Ungereimtheiten. Aber keiner von den beiden Genannten, war so radikal, die Sprache zu wechseln.
Ich verfehle die Stadt, die ich verließ, weil ihre Stimmen
Mich verfehlten, schrieb stundenlang für nichts.
So lauten die ersten beiden Verse des Gedichts. Und vielleicht ist es leichter, das Schriftdeutsch wieder zu verlassen, wenn es sich, wie im vorliegendem Fall, um das Kind von Einwanderern handelt, man bezüglich der Sprache eben von Grund auf in einer Art Adoptionsverhältnis steht.
Im Schweizer Wolfbach Verlag ist ein Band mit Gedichten des Schweizer Dichters Daniele Pantano erschienen. Aus dem Englischen übertragen wurden die Texte von Jürgen Brôcan. Und hier wird es auch schon spannend, denn Pantano wurde 1974 in Langenthal geboren und wuchs dort und in Lotzwil auf. Brôcan schreibt im Nachwort: Mit biografischen Informationen ist Pantano zurückhaltend, doch man wird nicht fehlgehen, wenn man darin nicht bloß ein Ausdrucksmittel sieht, das ihn auf der internationalen Bühne zu agieren erlaubt, sondern auch eine grimmige Abkehr von der Sprache seiner Heimat und der persönlichen Situation, die einige seiner Gedichte eher andeuten, als aufdringlich illustrativ ausmalen.
Auffällig ist an Pantanos Texten diese merkwürdige Distanz zu den sie umgebenden Dingen, ein kühles Licht, das auf ihnen liegt, und wenn irgendwo von Identifizierung die Rede ist, dann meint das ein Verhalten, ein bewusstes so sein wollen und findet seinen Grund nicht in irgendeiner Essenz. Diese kulturelle Unbehaustheit aber ist nicht quälend, wie sie meist dargestellt wird, denn sie setzt das dichtende und schreibende Subjekt in einen Zustand relativer Freiheit und ermöglicht einen unsentimentalen und unverstellten Blick und was noch wichtiger zu sein scheint, eine Erkenntnis. Wenn das lyrische Ich zum Beispiel die Rolle des eigenen Vaters bei der Zubereitung einer Pasta einnimmt, kommt das Gewalttätige des Vaters zum tragen und ermöglicht zugleich eine maximale Distanz zum Vater und zu sich selbst. Im Gedicht Vererbtes Rezept wird genau das zelebriert. Der Text beginnt mit dem Vers: Ich schwor, nie Vaters Maske zu tragen und zeigt, dass dieser Schwur nur einzuhalten ist, wenn man die Maske als Maske erkennt und zumindest einen Moment lang trägt, den Vater spielt.
Dass dieses Vorgehen nicht nur auf das persönliche, die eigene Herkunft und Familie zu reduzieren ist, zeigt dieser Band eindrucksvoll. Das Performative wirkt auch in der Erkenntnis fremder Identitäten. Und ist man da erst einmal durch, winkt Befreiung:
7. Juli 2005 (Notiz gefunden an
einem Wagen der Londoner U-Bahn)
Was mich am Chaos freut, ist die garantierte Schöpfung
Das rasche Unerwartete
Pantano lebte, studierte und unterrichtete in Großbritannien und den USA und lebt heute wieder in Langenthal in der Schweiz.
Daniele Pantano: Dogs in Untended Fields / Hunde in verwahrlosten Feldern. Englisch / Deutsch. Übersetzt von Jürgen Brôcan. Zürich, Basel, Roßdorf (Wolfbach Verlag) 2015. 102 Seiten. 18,00 Euro.