Crauss.: Queenie
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Crauss.
QUEENIE
königsvogel über schäfchenwolken wolltest du sein. mit bart, wehendem haar, einer gedächtnisschleppe, passend zum neuen kleid. stets, wenn du unterwegs warst, musste dieses stofftier mit, auch zum einkaufen, auf alle sektempfänge, oder wenn du zwischenstopp machtest in mutters garten, guten tag zu den radieschen sagtest.
wir tanzten den kochlöffeltango, auch später noch, wenn du alle paar äonen hallo sagtest und mutter längst schlief. unter der nackten birne in dem kahlen zimmer nur mit tisch und gin wirbelten wir hin und her, liessen uns treiben, wollten nicht, dass irgendetwas sich verändert, dies gefühl sich allzu häufig einstellt. denn gefühle, die man hat, vergisst man — sie machen dich tot, eher und jetzt.
wir tanzten den kochlöffeltango, tranken, was das zeug hielt, alberten und wussten, dass es nichtmehr so wie früher sei. wir hatten viel spass, du warst die schönste queenie, die ich jemals sah!
die kühnste queenie, die ich jemals sah, warst du. in deinen immerkarierten hemden, die nie, unter keinen umständen, in die cordhosen gestopft wurden, armfrei, leicht darüber wehen mussten (dein interstellarer nabel aus glas und staub).
wir amüsierten uns königlich, wenn sich mein scheitel sträubte gegen deine bürste. wenn wieder einmal alle freunde dein wohnzimmer verwüstet, es zum stammlokal erkoren hatten, endlich aus der tür warn, lachtest du so laut, dass ich dich schubste, bis du aus den highheels fielst, wir rücklings träumten, träumten, alltag, in die plümmos sanken für hundert jahre. ich, dein prinz, wollte dich wachküssen, wenn es soweit sei. du warst die kühnste queenie, die ich kannte.
anderntags wachte ich auf und wusste, du warst längst davongeflogen. wie stets packte ich mein bündel, war ja nur gast im hause königsvogel, in dem falschen, nach aussen gestülpten palast. ich packte das bündel und wartete die ewigkeit ab auf der kante deines betts.
you’d been a queen in the afternoon, but evening came soon, so soon. the last time i cried war eine furiose nacht gewesen und ein träger tag. in einem müden café warst du die schönste queenie, die die stadt je sah.
dann gingst du, selbstverständlich, ohne grosse geste. alle traurig: ruth, tom, enno – nur madeleine vergriff sich. die liebe endet immer im taxi, hörten wir sie sagen. ich trank noch einen gin. und noch einen. und einen noch.