Crauss: Drei Gedichte
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Crauss.:
Drei Gedichte
gefärbtes glas mein bruder
da ist ein punkt im himmel ein kreis ein schwarzer kreis
eine musik ist im auge ein pochen unter dem lid und alles
gewimmel oranger und gelber und schwach ganz schwach grünlicher löcher
und etwas saugendes ist
mein bruder schreibt lange sätze er treibt sie wie narben ins blatt
will alles verscheuchen von seinem balkon und ich bin die schwester
ich wippe reminiszenzen herbei und spreizfüszige leichte:
alles aus bravo und kann es nicht greifen
ich liebe es aber
und ein kreis ist im tisch ein oranges gewimmel und kugeln voll luft
und etwas saugendes ist
und ein hellschwarzes loch das tief in die rückbeuge geht
mein bruder schreibt lange und will sich erinnern
dann kann er entfernen was ich an ihm liebe ich schreibe
eine einzige linie verschreib mich und schreibe ich kann es nicht fassen
ich bin seine schwester ich bin seine mutter ganz stumm
ein dreschflegel der vater und schweigen ein loch im gesicht
wir liebten das land und lagen im heu die katzen machten das holz rot
wir kinder waren das o in der anrede vom opa
die stadt ist ein stock und ein viereck ist sichres geländer
und jetzt ist ein kreis da und alles mit pinseln verschmiert
wie gern hätt ich im himmel ein bast mit figuren mit winkenden
menschen wie sehr hätte ein klares vergehn mich gefreut
aber der tag ist gefesselt der abend ballon voller wunder und briefkästen
ein horizont mehrfach in geigton klavierstimme nachbarschaftsklopfen
nach smyrna (grau)
lieber konstantin,
ich fand mich in einem
deiner gedichtbücher wieder. es schmerzte.
ein weh, das ich mir selber zufügte, uns beiden
vor jahren, weil ich weniger angst hatte,
in smyrna den rücken zu krümmen,
mir bei der arbeit die finger zu brechen,
die vorher gedichte geschrieben
an einen dichter – wer von uns ahnte,
dass du alles erlebte in deinem herzen bewahren
und den mut haben könntest, gedichte
zu schreiben wie ichs mir gewünscht
und selbst doch niemals vermochte. weil ich
weniger angst hatte, meine augen, grau,
opalgrau, sagst du, aschgrauen zu lassen
in smyrna, vom hochofenfeuer der lust,
mich blenden zu lassen von den verführungen
einer stadt, die keine stadt ist,
sondern ein loch, in dem man verschwindet.
noch bin ich da, ich bin noch vorhanden,
ich will, dass du‘s weisst. aber du sollst mich
nicht suchen, noch will ich dir jemals
wieder anders erscheinen als in gedichten.
längst ist mein ansehen zerstört, nichts aber
verblasst von den wochen, dem hellen
beginn eines sommers vor jahren, in den wir
verliebt waren. öffne nicht, wenn es klopft,
sondern verbring deinen abend
in der erinnerung. lass mich nicht ein, komm nicht
nach smyrna, ich bitt dich. und wein‘ nicht. schreib über
das weisse meer, das mich von alexandria fernhält,
aber die leere in deinem gedicht füllt ……………………
DEINE GEDICHTE
vocoding fm
deine gedichte
sind mir ein grosser roman gefühls
erregungskunst oder zwischen eros und tod alles
was die brust des menschen durchzieht die sammlung
ungewöhnlicher lieben und wolf den ich zitierte
in zahllosen briefen zum beweis
meiner sehnsucht.
ich möchte dir nur noch das quälende nehmen.
deine gedichte
sind mir ein riff unter kopf
hörern guitarren gezogen vom ohr
hinunter ins beatbein die augen aufblitzende
schriften und muster das herz ein einsamer jäger
rapidly moving und life is a dancefloor übers wein
rauschen der rillen hinweg.
denn wie willst du mich anders begehren.
In Crauss.: Die harte Seite des Himmels. Gedichte. Berlin (Verlagshaus Berlin) 2018. 116 S. 15,90 Euro.