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Constantijn Huygens: Euphrasia Augentrost

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Constantijn Huygens

Euphrasia - Augentrost

Auszug 493 - 552



Die Mutigen sind blind, sie schaun nur durch das Lohen
ihres gereizten Muts; welch' Schläge ihnen drohen
– das Sterben im Gefecht oder (was oft noch schlimmer)
fortan ein Krüppel sein –, das sehn sie nie und nimmer.
Wir brauchen solche Blinden, die uns sehr wohl nützen,
die für fünf Groschen Sold uns gegen Feinde schützen,
sich opfern für den Freund, sie sind zu jeder Zeit
zwecks Ehr' und Broterwerb zur Heldenmut bereit.  
Das hört sich redlich an, jedoch wie mutig ist denn
das Wasser, wenn wir es auf Blumen, Wäsche spritzen;
gebührt dem Element die Ehre der Gewalt,
oder vielmehr der Kraft, die hinterm Schlauch sich ballt?
Der Mutige greift an, blutrünstig wie ein Tiger,
doch was treibt hinterrücks solch einen kühnen Krieger?
Der Hunger und die Ehre! Der Hunger, klar, geschenkt!
Das weiß ja jedermann, dass der zu Taten drängt,
damit man nicht krepiert; doch Ehre ist 'ne Sache,
die, scheint es, erst den Mann zum wahren Manne mache.
Ja, scheinbar, denn die Angst, dass er als feige gilt,
gleicht oft dem Mut aufs Haar und macht erst wirklich wild.
Schaut man nur richtig hin, ist mancher nur ein Scheinheld,
aus gleichem Grund, weshalb der Jäger sich dem Schwein stellt,
der Krieger einen Wall stürmt, ohne bang zu sein,
der Tod bewahrt ihn ja vor jeder späteren Pein:
er folgt nur einem Zwang, so wie beim Hunger eben.
Ein Drittes kommt hinzu und kostet Blut und Leben:
der Held gerät in Zorn, ihm kocht das wilde Blut,
die Galle kommt ihm hoch, er schäumt bereits vor Wut  
und haut blind darauf los, er könnte nicht mal sagen
wozu, um welchen Preis; er würde alles wagen,
er denkt nicht mehr, er brüllt, der Leu hat Blut geleckt:
nur noch die Furie, die jetzt die Schute treckt,
der Schiffer flieht, das Pferd geht durch, die Kameraden,
so blind wie er, hören die feurigen Tiraden,
doch ohne zu verstehn, wer sich so enragiert.
Manch anderer Soldat, der nicht so blind agiert,
für Gottes Sache kämpft, wiegt ab, berechnet eben
wem er am besten dient, indem er Leib und Leben
aufs Spiel setzt; mutig, ja! doch nicht ohne Verstand,
sie sagen, jener Leu sei einfach hirnverbrannt,
er kämpfe ohne Kopf, nenn' ihn ein Biest mit Ehren,
das heißt nicht Mannesmut; so einer kann zerstören,
doch kämpft besinnungslos: wo es an Maß gebricht,
und blinder Zorn regiert, bleibt Mut ohne Gewicht.
Nun feiert man den Sieg, viel Ehre ist gewonnen,
viel Mut wurde gezeigt, im Zorn oder besonnen,
Raketenfeuer, Bombenknall und Glockenklang,
das Lob, froh oder ernst, schallt im Poetensang,
als Beute gilt die Ehr', wer trägt verdientermaßen
den höchsten Preis davon? Die dort am Webstuhl saßen,
und die nun heimwärts ziehn, verstümmelt und verdreckt,
falls nicht bereits krepiert? Nein, die sich's ausgeheckt,
die Meister dieses Werks, die teilen sich die Beute.
Wer, glaubst du, waren jene namenlosen Leute,
die Alexander hievten auf den höchsten Thron,
den bösen Cäsar stützten wie im blinden Hohn,
blind für fünf Groschen Sold? Sag, wie die alle hießen,
die Namen jener Kämpfer, wert, in Erz zu gießen.
Was glaubst du, Parthenin, ist blinder nicht als blind,
wer sich verliert, wenn er für andere gewinnt?


Aus: Constantijn Huygens: Euphrasia Augentrost. Übers. und hrsg. von Ard Posthuma. Leipzig (Reinecke & Voß) 2016.

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