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Clemens Schittko: Ein ganz normales Buch

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Jan Kuhlbrodt

Politik und Ironie



Der Greifswalder freiraum-verlag legt ein Buch vor, das den Titel: Ein ganz normales Buch trägt. Autor ist der Berliner Lyriker Clemens Schittko. In drei Kapiteln versammelt es eine Reihe vergleichsweise langer Gedichte und einen Essay, der unter dem Titel: Statt eines Gedichts poetologische Positionen des Autors formuliert. Der Text mündet in einen Aufruf:

Und Schluss mit der Ironie, diesem Belächeln von oben herab, das nicht erkennen läßt, wofür der Dichter eigentlich steht!


Konfrontiert man diesen Aufruf mit einigen sehr leidenschaftlichen Versen der Gedichte des Bandes, kommt er auf eine eigenwillige Art ins Schwingen. Als könnten die Gedichte das, wogegen sie anrennen, nicht abwerfen:

Ich würde gern in Arbeiterkneipen gehen,
wenn es im Friedrichshain noch Arbeiterkneipen gäbe.
Ich errege mich.


Was ist Politik? Was ist politische Lyrik? Und ist politische Lyrik ohne Ironie überhaupt denkbar? Ich denke, eine wichtige Voraussetzung dafür formuliert Clemens Schittko in seinem Gedicht: Politik interessiert mich nicht. Hier wird der General-vorwurf gegen die Politik selbst formuliert, eine Politik, wie wir ihr heute begegnen, letztlich einem System, in dem Berufspolitiker selbst die Probleme formulieren, die sie zu lösen vorgeben, und die gesellschaftlichen Strukturen außeracht und unangetastet lassen:


Politik braucht kein Mensch
Politik braucht allenfalls sich selbst
und die Millionen von Idioten,
die an sie glauben wie an eine Religion.


Dieses Gedicht allerdings wäre langweilig, würde es sich auf diese Aussage in wenigen Aussageversen reduzieren. Dann wäre es kurz und bündig, und würde dem Leser maximal ein Nicken abverlangen. Aber das Gedicht dehnt seine Aussage über sechs Seiten, wiederholt und transformiert. Es ist fast eine mathematische Reihung, die dem Ganzen etwas Durchscheinendes gibt.
Und so wie Schittko hier mit dem Interesse an der Politik verfährt, macht er es auch mit anderen Bereichen, wie mit dem Literaturbetrieb. Er wiederholt zum Beispiel solang die Aussage, dass es einen Literaturbetrieb gar nicht gebe, bis sie selbst fragwürdig wird, sich also in eine Frage verwandelt. Dass man den Verhältnissen ihre eigene Melodie vorsingen müsse, um sie zum Tanzen zu bringen, formuliert Marx irgendwo. Schittko versteht Lyrik als Teil dieser Verhältnisse, aber eben auch als deren Lied.

Das ist nicht die eingeführte Ironie, auch wenn der Autor, wie man meinen könnte, Abstand hält vom lyrischen Ich. Dennoch: Konstruktion ist Selbstkonstruktion. Der Ton macht die Musik, der Ton stellt Authentizität her, die nicht vorliegt, dem Schreiben nicht vorangeht, die eben hergestellt wird, Ergebnis ist.

Ich nehme eine Haltung ein.
Ich beziehe Position.
Ich sage nichts.
Ich mache nichts.


Es macht Spaß, sich von diesem Band ins Schwingen bringen zu lassen.



Clemens Schittko: Ein ganz normales Buch. Greifswald (freiraum-verlag) 2016. 132 S. 14,95 Euro.

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