Christoph Janacs: der Rede wert
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Timo Brandt
Viele Register, viel
Poetologie
„ein Gedicht schreibenheißt sich die Frage stellen,was ein Gedicht sei.im Schreiben alleinfindet sich eine Antwort.die allerdings giltniemals für alle.“
Christoph Janacs neuer Gedichtband „der Rede wert“ ist in
fünf Kapitel unterteilt. Das zweite und das vierte Kapitel enthalten englisch-
bzw. spanischsprachige Texte (keine Sorge, bei jedem Gedicht gibt es eine
deutschsprachige Version am unteren Rand der Seite). Vorangestellt ist jedem
dieser Gedichte – und überhaupt fast allen Gedichten des Bandes – das Zitat
einer Autorin oder eines Autors, mit dessen Werk oder Biographie das Gedicht
mal mehr, mal weniger korrespondiert.
Den ganzen Band könnte man als eine Art Korrespondenz-kammer
bezeichnen – und als poetologische Metaauseinander-setzung mit den Anliegen und
Möglichkeiten des Gedichts, mit den Umständen des Dichter*innen-Daseins und dem
Verfahren des Verfassens von Gedichten.
„in Wahrheit sind das allesbloß Erscheinungen,Bilderfindungen,zu denen du gelernt hast,Wörter zu stellen“
Gerade in Kapitel I und III setzt sich Janacs wieder und
wieder mit dem „Machen“ von Gedichten auseinander, nähert sich Mal um Mal dem
Phänomen des dichterischen Prozesses und seiner Bestandteile – Sätze, Worte,
Bilder, etc. – an.
Diese oftmals rekapitulierenden, formal auch durchgehend
gleich aufgebauten Gedichte (jeweils einige Strophen, die dreizeilig bzw.
fünfzeilig und von den Silben/vom Aufbau her Haiku bzw. Tanka sind – Haiku im I.,
Tanka im III. Kapitel), bekommen mit der Zeit, in meinen Augen, etwas
Repetitives, Gebetsmühlenartiges, und obwohl die Gedichte durchaus mit einigen
Erkenntnissen aufwarten können, kommen einem auch diese mit der Zeit
austauschbar und manchmal sogar wie Binsenweisheiten vor. Und weil sie große
Namen anführen, wirken sie dadurch auch dann und wann etwas protzig.
„und das Schlimme daran ist:es gibt keinen Wegaus dem Labyrinthdeiner Wörter und Sätze.so ist es immer“
Als gelungener empfinde ich da die fremdsprachigen Gedichte,
die in Teilen schöne Auseinandersetzungen darstellen und sich manchmal auch mit
Bravour von ihren Vorbildern lösen und als eigenständige Gebilde zu überzeugen
wissen. Die Unbeweglichkeit des Anleitungshaften, besonders in Teil I, wird
hier von spielerischen und (obwohl in Teil II, bei den englischsprachigen
Texten, die Haiku-Strophenform beibehalten wird) offeneren Ansätzen abgelöst.
Statt Tautologien gibt es hier Euphorie, Fragiles, Menschliches.
Doch gibt es auch in diesen Kapiteln einige Texte, die ich
grenzwertig finde. So bspw. das folgende Gedicht über Sylvia Plath, das einfach
keine wirkliche lyrische Dimension entwickelt und deshalb mehr wie eine
halbgare Huldigung wirkt, deplatziert, aufgesetzt, vielleicht sogar etwas geschmacklos
(es ist wirklich an der Zeit, dass man aufhört, Sylvia Plath über ihren Tod zu
definieren – ich meine damit nicht, dass ihr Tod und dessen Umstände
unterschlagen werden sollen. Aber sie ist halt nicht nur eine tragische
Identifikationsfigur, sondern eine ausgezeichnete Autorin und Dichterin).
„what was she seeing
head placed in that gas oven?her life much too shortfor being happy?her future caught in some booksthat would survive her?or her own darknesswhich she wore like a black gown,her eternal light”
Vermutlich sollte ich mich an dieser Stelle etwas
zurücknehmen, da ich selbst schon Gedichte über Sylvia Plath und ihren Mann Ted
Hughes geschrieben habe und es mir daher vermutlich nicht zusteht, bei jemand
anderem daraus eine Vermessenheit zu basteln – wobei ich nochmal klarstellen
will, dass es mir hier darum geht, WIE das Gedicht dieses Thema angeht.
Ich gebe zu, dass ich bei diesem Gedicht (und auch einigen
anderen, die sich an Personen richten, die ich schätze und bewundere)
vorbelastet bin. Ich kann die Idee der selbstauferlegten Form nachvollziehen,
aber wenn es um die Auseinandersetzung mit Dichter*innen geht, wirkt die
Beibehaltung dieser formalen Struktur (speziell wenn die Personen diese (oder
eine ähnliche) Form nicht praktiziert haben) irgendwie falsch, hinderlich, und sie
verfehlt in meinen Augen die Idee, die in diesem poetischen Korrespondenzakt
liegt.
Dennoch: in Kapitel II und IV – und auch im abschließenden
Kapitel V – finden sich allerhand gelungene Verse. Ich habe so meine Probleme
mit der mitunter leblos wirkenden Form dieser Gedichte, aber hier und da
konnten sie mich doch überzeugen. Vor allem dann, wenn sie nicht einfach wie
auf sicheren Bahnen kreisen, gleichsam als seien sie aus einer omnipotenten
Gewissheit geschnitzt worden, sondern sich auch mal in unsichere, in sich nicht
direkt als bezeichnend herausstellende Äußerungen hineinbewegen, nicht nur in
Fragen Sicherheit suchen, sondern in Dingen, die zwischen Frage und Antwort
liegen.
Christoph Janacs: der Rede wert. Graz (edition keiper) 2018.
128 Seiten. 14,98 Euro.