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Charlotte Warsen: Vom Speerwurf zu Pferde

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Jan Kuhlbrodt

Die Lust am Sprachspiel.
Die Lust am Text, auch in der grafischen Oberfläche.


strömen        wir störn nicht hier         wir strömen


Man ist zunächst ein wenig hin- und hergerissen, hält man Charlotte Warsens Band Vom Speerwurf zu Pferde in den Händen. Er wirkte auf mich erst einmal überinstrumentiert, als er auf meinem Tisch zu liegen kam, in der Luxbooks-Reihe Labor erschienen. Experiment also. Und dann auch noch Querformat. Aber das scheint bei Luxbooks inzwischen so zu sein, dass sie besonders interessante Bücher im Querformat drucken, wie schon Darkling von Anna Rabinowitz.

Jedenfalls bin ich da von vornherein erst einmal skeptisch, denn entweder ist jedes künstlerische Produkt experimentell oder keines.

Die Sprachflächen, die Charlotte Warsens Band ausstellt, sind nicht den gewohnten Regeln gemäß rechts- oder linksbündig oder zentriert. Eher zufällig scheint die Schrift über manche Seiten zu purzeln. Aber was ist schon Zufall? Die Texte sind schließlich Produkt, und ihrer Anordnung liegt ein Sinn zugrunde, wenn auch vielleicht kein formulierter oder formulierbarer. Wir kennen das von Mallarmés Würfelwurf, dieses Gedicht, das auf jener Grenze des Formulierbaren arbeitet, und genau aus diesem Grund eine besondere Anordnung der Schrift geradezu erfordert.


Und wie bei Mallarmé ist auch Warsens grafische Oberfläche der Texte einer ästhetischen Notwendigkeit, oder zumindest einem grafischen Formwillen geschuldet. (Mit dem Wort Notwendigkeit begeben wir uns auf zu glattes Eis, würde es doch die Verspieltheit des Ganzen überschatten.)


was da noch kommt und schillert


Eigentlich müsste diesem Buch auch eine CD beiliegen, oder man taucht bei einer Lesung der Autorin auf und zieht sich eine Aufnahme. Denn Warsen zelebriert ihre Lesungen in einer einzigartigen Schnodderigkeit. Ich hatte zur Buchmesse das Glück, die Autorin zweimal moderieren zu dürfen.

Aus der Vorbereitung zu den Moderationen resultiert auch ein gewisses Hintergrundwissen, das zur Lektüre der Texte zwar nicht zwingend notwendig ist, aber Freude bereitet. Der Titel des Buches ist nämlich der Titel eines antiken Textes,* von dem eben nur jener Titel überliefert ist, und deshalb ist es ein trefflicher Titel, weil er bei historischer Rückbindung die maximale Freiheit zulässt. Die Tradition wird als Erinnerung nicht übermächtig, wird eher Murmelsäckchen als Last. Und in diesem Feld bewegen sich auch Warsens Texte. Lustvoll entdecken sie die Möglichkeiten der Lyrik, testen sie aus, wenden sie an, lassen sie zuweilen am Text auch zerschellen. Reim, Alliteration, Assonanz, alles ist da, was den Klang leitet, und auch die Idiome sind da, und biegen die Texte zurück auf ein gerüttelt Maß Alltäglichkeit.


*   Plinius der Ältere: De iaculatione equestri liber unus (Über das Speerwerfen vom Pferd aus), ca. 40 n. Chr. Militärisches Fachbuch über Nahkampftaktiken der Germanen.


Charlotte Warsen: Vom Speerwurf zu Pferde. Gedichte. Wiesbaden (Luxbooks) 2014. 100 Seiten. 19,80 Euro.

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