Catherine Hales: 08 / 15 Hegemonien
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Jan Kuhlbrodt
Eschatologische Dichtung
Zu den Gedichten von Catherine Hales und deren Übertragungen ins Deutsche durch Konstantin Ames
the plasure is in the appropriation (prognosis of discontent)
Das Vergnügen liegt im Aneignen übersetzt Ames, und mit diesem Term in seiner Ambivalenz findet man sich mitten im Buch 08/15 Hegemonien, und im Spätkapitalismus, in dem, glaubt man den ökonomischen Theorien von Smith über Marx bis Schumpeter, ein historischer Prozess an sein Ende gelangt. Fraglich ist, ob dieses Ende ein kristallines ist, oder ob es im Zusammenbruch über sich und seine Geschichte hinausweist. Diese Frage zu beantworten ist freilich keine Tat der Theorie oder der Dichtung. Hales‘ Gedichte begnügen sich damit, dieses Ende zu konstatieren.
Auf Seite 49 des Bandes findet sich das Gedicht „langfassung“. Ein kurzer Text, der einiges auf den Punkt bringt. Er beginnt mit folgenden Versen:
unsere ganze geschichte ist ausgereizt am abgrund
der geologie umkreist eine leere aus-spülung der restchen unserer nackten existenz
Im Fortgang ein Abriss des Menschheitsdaseins mit einer
Engführung von Archaismen und modernem Vokabular, dass die Mutmaßung zulässt,
dass der Weg der Gattung zu ihrem Ende hin gar nicht so weit war, oder sogar,
dass das Ende dem Anfang bereits innewohnte. (Das untermauert meine Vermutung,
dass Gryphius in seiner Dichtung an Aktualität kaum zu toppen ist.)
Hales also spielt in verschiedensten Varianten das Ende der
Geschichte durch, und sie macht das höchst lustvoll, bedient sich dabei sowohl
einem Wortmaterial, das unmittelbar der Theorie entnommen zu sein scheint, als
auch alltäglichen Slangausdrücken.
supermarket and means of production
Und man kann sich bei der Lektüre des Eindrucks nicht erwehren, dass für das Subjekt der Gedichte nach der Apokalypse ein Aufbruch erfolgt.
ökonomen gebannt
von physikneid hemmechanismus
& schwingung eine phantastische verbindung
des handwekszeug mit dem händchen dafür in der nacht
der aufstände sog sie den beißenden geruch
eines ungehörigen anderswo ein
Ames' Übertragungen überzeugen, weil sie versuchen, die Haltung der Urtexte so gut wie möglich zu imitieren. Hier scheut der moderne Leser vielleicht, denn nichts scheint derzeit so verrufen wie Imitation. Aber Imitation, oder wenn wir den lateinischen Begriff imitatio verwenden, bedeutet doch eine Haltung anzunehmen und in dieser übernommenen Haltung zu Erkenntnissen zu gelangen, die im besten Fall sogar über den Horizont des Imitierten hinausweisen. Hierin liegt denn auch der Sinn des Übertragens überhaupt. Weit mehr noch als darin, den der Originalsprache nicht Mächtigen ein Bild dessen zu liefern, das sie nicht verstehen. So hat sich Konstantin Ames in seinen übertragenen Texten in die Haltung der Texte von Catherine Hales gefügt. Er bleibt ihnen nah, verfolgt ihre Spur. Allein dem nachzuspüren, also dieser Spur der Spur zu folgen, lohnt.
Catherine Hales: 08/15 Hegemonien. Gedichte. Engl./dt. Übersetzt von Konstantin Ames. Berlin (brueterich press) 2017. 96 Seiten. 20,00 Euro.