Carl-Christian Elze: so wenig sinnlichkeit
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Carl-Christian Elze
so
wenig sinnlichkeit
können worte: nur engel
benennen
ohne ihr gesicht
abzubilden
ihr sanftes gewölbe aus
knochen
ihr vermischtes gewölbe
aus mann und frau.
einzig vergleiche, die
noch leuchten können
wie in öl: sein
metallisches flugkleid
wie der zerknitterte
rumpf eines learjets
ohne lackierung ..
und dennoch: welche
ärmlichkeiten.
kein roter vorhang nur
aus worten
der sich begreifen lässt
im auge, im gehirn. kein r-o-t
das in maria eindringt,
in ihr kristallines b-l-a-u
und wie, wie willst du
licht ersetzen!
noch lächerlicher hier
nur licht zu sagen
das durch die fenster
stürzt und schleicht zugleich
um ihr gesicht kaum
merklich anzuheben
dass es die weiße lilie
sieht
endlich erblickt, in
diesem raum
der lautlos schwebt, im
weltall schwebt
mit strengen mustern,
burg und wolken ..
ein arme-leute-essen ist
gekocht, sonst nichts
ein teller suppe
wo nur worte schwimmen
wie lose hände, die
nichts greifen können
doch greifen wollen, und
in den flachen löffeln beten.
(nach
»Verkündigung« von Giovanni Bellini, Accademia)
In: Carl-Christian Elze: „langsames ermatten im
labyrinth“. Verlagshaus Berlin 2018.
(Erscheinungstermin: voraussichtlich
Ende 2018)