Bernhard Fetz: Ernst Jandl - Biografie einer Stimme
Rezensionen/Lesetipp > Rezensionen, Besprechungen
Jan Kuhlbrodt
Bernhard Fetz: Ernst Jandl –
Biografie einer Stimme. Göttingen. (Wallstein Verlag) 2025. 268 Seiten. 28,00 Euro.
„Es ist unmöglich, sich von Ernst
Jandl ein Bild zu machen, ohne seine Stimme im Ohr zu haben ...“
Am 1. August 2025 jährt sich der
Geburtstag Ernst Jandls zum hundertsten Mal. Pünktlich zu diesem Termin ist im
Wallstein Verlag ein Buch von Bernhard Fetz erschienen: Ernst Jandl – Biografie
einer Stimme. Fetz ist Direktor des Literaturarchivs, der Sammlung für
Plansprachen und des Esperantomuseums der Österreichischen Nationalbibliothek.
Vorweg ist zu sagen, dass dieses Buch in einer eleganten, gut geölten
Wissenschaftssprache verfasst ist, die mir als Leser neben einem immensen
Wissensgewinn, auch ein gehöriges Lesevergnügen bereitete. Aber klar, ohne
Substanz keine Freude.
Der hier als Überschrift zitierte
Halbsatz findet sich im als „Auftakt“ bezeichneten ersten Abschnitt des Buches.
Und er trifft so ziemlich die Erfahrung zumindest meiner Genera-tion, und sicher
auch die einiger Generationen vorher. Zumal sich Jandls Publikationen nicht auf
Bücher beschränken, sondern auch Videoaufzeichnungen, Schallplatten, CDs und
der gleichen umfassen.
Die erste Produktion Jandls, die
den Weg in meine Bücher-kammer fand, war eine Auswahl seiner Texte mit einer Ton-kassette,
die eine Lesung Jandls vom September 1988 in Ostberlin dokumentierte. Die
Stimme, die darauf zu hören war, und die den Texten eine eindringliche Substanz
verlieh, brannte sich sofort in mein Gedächtnis.

Im vorliegenden Buch findet sich
folgendes Zitat „Form ist Erfahrung.“
Dieses Motiv spielt Fetz in
verschiedensten Tonlagen und Konstellationen durch. Einerseits hinsichtlich der
familiären Herkunft Jandls, dem frühen Tod der Mutter, der Kriegserfahrung und
dem Verlust eines engen Freundes im 2. Weltkrieg. Aber auch hinsichtlich des
Kontaktes zu Neuer Musik und Jazz, gewissermaßen als Ausweg aus der konservativ
lähmenden Nachkriegsgesellschaft.
Fetz zitiert Frieder von Ammon: Die
Geschichte der deutschsprachigen Lyrik nach 1945 ist „nicht nur eine Geschichte
von Lyrikern und ihren schriftlich fixierten Texten, sondern auch eine
Geschichte von (musikalischen) Aufführungen und dementsprechend auch von
Körpern, Stimmen, Musikern, Instrumenten, Partituren und Schallplatten ...“
Dieser Geschichte geht das Buch nach, gewissermaßen mit dem Werk Jandls als
Leitstern.
Natürlich geht Fetz auch auf Jandls
Stellung und Kooperation mit der Wiener Avantgarde ein und vor allem auf eine
legendäre Lesung in der Londoner Royal Albert Hall am 11. Juni 1965. Und dass Jandl auch musikalisch beweglich
blieb, bezeugt seine Schallplattensammlung, die unter anderem auch das Nirvana-Album
„Never Mind“ birgt.