Bernd Lüttgerding: Drei Gesichte
Montags=Text
Foto: Jeroen Elsen
Bernd Lüttgerding
Drei Gesichte
Die automatisierte Schönheit
Ich beobachte einen Waffenentschärfer bei der Arbeit. Die Waffen zerstört er, indem er eine jede auf seine diabolisch magere und langbeinige Weise ein letztes Mal benutzt. Ich bestaune die Abfolge von Feuergarben und jede außerordentliche Explosion. Am Ende sind alle Säle des Arsenals leer, und ich lese die Messingschilder unter den Haken, an denen die Waffen auf bordeauxrotem Samt gehangen haben. »Beautymatic« steht auf einem der Schilder.
Geisterstunde
In einem blauen Zimmer ist alles so groß und weitläufig als sei ich sehr klein. Da ist ein riesenhaftes, aus rohen Holzplanken gebautes Bett, eine Topfpflanze (das Herz des Auswanderers ist eine Topfpflanze) wie ein Baum, ein Gummibaum, in dessen Zweigen putergroße Küken herumklettern, die mir Angst machen, die aber auch rührend sind, wie sie sich einander annähern.
Ein Mädchen mit Pferdeschwanz, klein oder weit weg, die Maßstäbe sind ja entkräftet, geht über den Teppichboden, wird durchsichtig und löst sich in Luft auf. Ein Gespenst, denke ich. Da kommt, wandert über den Boden eine Dampfsäule (ungefähr so eine, wie sie der Tülle eines Wasserkochers entsteigt) auf mich zu. Ich rutsche vorsichtig von der Bettkante. Das ist der Dämon, der mir meine Fragen beantworten kann, denke ich und knie vorsorglich nieder. Aber die Dampfsäule wirkt nun kriecherisch, wehleidig; sie beugt sich im Näherkommen zur Seite, als wolle sie mich umarmen, und mir wird klar, das ist der Geist meines Vaters. Ach, lass mich in Ruhe, rufe ich da und wehre ihn ab.
Interieur aus den Vorläufen der Zeitenwende
Ein Arzt macht Anstalten mein Gehirn zu operieren. Ich will das nicht, aber weder A. noch B. unterstützen mich. Also rede ich auf den Arzt ein, bis er nachgibt: Na gut, ich wollte ja ohnehin vor allem Ihre Stimmbänder operieren. Mir scheint, die könnten eitern.
Aber, rufe ich verzweifelt, ich habe ja gar keine Beschwerden!