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Bericht zu antimon #1 - "Irreversibilitäten"

KIOSK/Veranstaltungen > antimon


Katharina Kohm

antimon #1: "Irreversibilitäten"


Neue Lesereihe für Münchner Literatur
Start im Münchner Literaturbüro
im Rahmen des dortigen Autorengesprächs Nr. 1856 am 16.6.2017



Die Nummerierung zeigt, mit welcher Veranstaltungstradition man es im Münchner Literaturbüro in der Milchstraße in Haidhausen zu tun hat. Bisher fanden und finden im Literaturbüro vornehmlich Autorengespräche statt, während derer das Publikum den Abend mit Wortbeiträgen zum vorgestellten Text mitgestalten kann. In erster Linie versteht sich das Büro nämlich als Werkstatt, vor vielen Jahren gegründet nach dem Vorbild etwa der Gruppe 47, ein bisschen zumindest, um Autorinnen und Autoren mit noch unfertigen oder fast fertigen Texten die Möglichkeit zu bieten, diese im Fachkreise zur Diskussion zu stellen.

Der Aspekt einer Publikumsbeteiligung steht für die neue Signaturen-Lesereihe antimon jedoch im Hintergrund, die gelesenen Texte werden aber vor allem gattungsübergreifend sein und z.T. einen inhaltlich und/oder formal experimentellen Charakter aufweisen. Es geht der Lesereihe also primär um eine Öffnung der Formate und Genres.

Vor allem dezidiert junge crossover-Literatur aus München soll damit gefördert werden, wobei der lokale Bezug zum Ort nicht explizit zu sein braucht. Der Anspruch ist vielmehr, wie es der Name antimon aus der Geschichte der Alchemie beschreibt, experimentell Gold von den anderen Metallen zu scheiden und als Talent/Kunst vorzustellen.

Nicht zufällig erscheint es darum, dass zu dieser Auftaktveranstaltung im Münchner Literaturbüro zwei junge Sprachkünstler eingeladen wurden, denen einerseits der Werkstattgedanke sehr vertraut ist, die jedoch andererseits schon in Büchern und Zeitschriften, z.B. in Mosaik, publiziert haben. Die beiden derzeitigen Leiter der Schreibwerkstatt der Komparatistik Andreas Rentz und Fabian Widerna lasen an diesem Abend alternierend ihre experimentelle Prosa. Nach der Lesung blieb auch genug Raum für Anregungen, Gedanken und Kommentare des Publikums.


Fabian Widerna,
aus einer Zeitung vortragend.
Fotos: K. Kohm


Die Musikalität der lyrischen Prosatexte von Fabian Widerna boten einen wunderbaren Kontrapunkt zu Andreas Rentz‘ gesellschaftskritischem Ansatz, speziell zu seinen grotesk-surrealen Satiren, etwa über die Kommerzialisierung von Kultur.

Während bei Widerna der Text sich mit der Orientierungslosigkeit einer Innenwelt auf engstem Raum beschäftigt und auch formal durch die Sprache der Text sich selbst abtastet, auf der Suche nach Ankerpunkten, führen Rentz‘ Arbeiten auch in die Arena eines Dichterwettbewerbs. Dieser Kontext entlarvte explizit die Absurdität eines Kulturbetriebs, der Kunst als Kommerz, als Event, bei dem Künstler in einem Wettbewerb wie Gladiatoren gegeneinander antreten, ausstellt und sich inhaltlich damit selbst entleert und ad absurdum führt.


Andreas Rentz


Die Vortragssituation und das gemeinsame Erlebnis von gesprochener Sprache, insbesondere von Sprachkunst, führten zu einem ästhetischen Ereignis, an dem jeder teilnehmen konnte und kann, der sich eingeladen und angesprochen fühlt. Das Münchner Literaturbüro bot dabei durch seine Galerieatmosphäre und den großen Fenstern zur Straße hin genau den Raum, den lokale Literatur braucht, um durchlässig zu sein und sich zu öffnen.

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