Barbara Köhler: Schriftstellen
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Jan Kuhlbrodt
Barbara Köhler: Schriftstellen. Herausgegeben
von Marie Luise Knott. Berlin (Bibliothek Suhrkamp) 2024. 261 Seiten. 25,00 Euro.
Ad Barbara Köhler
„Schriftstellen“ heißt das von
Marie Louise Knott im Suhrkamp Verlag herausgegebene und mit einem Nachwort
versehene Buch, das eine durchaus repräsentative Auswahl aus dem Werk der
Schriftstellerin Barbara Köhler enthält und mit bis dato unveröffentlichten
Texten ergänzt wurde. Im Buch erfährt man das Wandeln zwischen den Medien.
Sprache stößt an Grenzen als Nationalsprache aber auch als bildliches oder
akustisches Medium. Es ergibt sich so etwas wie ein kleiner Grenzverkehr. Knott
schreibt im Nachwort:
„Das Fremdsprechen der eigenen Sprache grundierte fortan ihr Schreiben. Ein Verdrehen und Verhören begann, gepaart mit einer Subversion der syntaktischen Strukturen.“
Köhler wurde 1959 in Burgstädt
geboren, einer Kleinstadt, in der der Eilzug von Chemnitz (oder seinerzeit
Karl-Marx-Stadt) das erste Mal hielt, und ist 2021 in Duisburg verstorben.
Burgstädt und Penig (wo Köhler aufwuchs, und wo eine Papierfabrik steht, die
1537 gegründet wurde und noch immer produziert – Papier sei geduldig, wird
gesagt) sind Orte auf dem Weg von Chemnitz nach Leipzig, der damals einen Schritt
in die Welt darstellte.
Einen ersten Schritt. (nicht nur für die Dichterin, ein paar Jahre später auch für mich.) Vor diesem Schritt aber war die Welt Lektüre. Die Reisen fanden auf Papier statt, und so verliefen sie auch in der Zeit, denn Zeit und Ort sind Koor-dinaten.
Damals stießen so einige auf Franz Fühmanns Texte, dem – wie im übrigen auch Heiner Müller – die Antike ein Spielfeld war, das in die Gegenwart reichte.
Köhler schreibt in „Niemandsfrau“:
bewegung zu gegenbewegung, ein in die zeit ausgeweitetes gewebe, bleibend vorerst die kettfäden, vertikales; der eine schlussfaden, waagerecht, aber kommt und geht, beides zurück auch.
Köhler fügt der männlichen Sicht
auf die Geschichte, der Sicht des „Weitgereisten“, die Handwerkerinnensicht der
webenden Wartenden hinzu, der Wartenden, die im Warten die Zeit ins Produktive
wendet. Penelope.
Das ist eines der Grundmotive, die
sich durch das Werk Köhlers ziehen. Jedenfalls stoße ich immer wieder darauf,
wie auch auf ein anderes: Dem Verhältnis von Sprache, Schrift und Bild.