Armin Steigenberger: Monopoly Suicide
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Armin Steigenberger
MONOPOLY SUICIDE
Da war diese
junge an den Armen tätowierte Frau und dieser schlaksige Typ. Sie Italienerin,
er Pole. Und er
stellte auf Englisch seinen Scheffel unter das Licht. Und sie parierte, parlierte,
gab den Ton an
und plauderte. In
einem merkwürdig verrückten, angezickten Englisch. Mit kratzig rauer
Stimme zog sie
her über ihre Verwandtschaft. Dass sie sich oft träfen, Papa, Mama, all ihre
Nichten, Neffen und Brüder und Schwestern und Cousins, alle kämen sie von Zeit
zu Zeit
zusammen im
kleinen Dorf Aba... in der Region Oso..., wo sie alle so wahnsinnig gerne
Monopoly
spielten. Sie hatte jetzt beschlossen, nie mehr mit ihnen Monopoly zu spielen,
weil diese
Treffen immer ausarteten in ein Maximum an Monopoly, man spielte tagelang
Monopoly, als ob
sie sich sonst nichts zu sagen hätten. Früher wurde groß aufgekocht,
es gab Pasta und
alle guten Fleischgerichte. Sie warf ihre schwarze Mähne zurück.
Die ganze
familiäre Kommunikation fände statt im Spielen und Reden über Monopoly,
sagte sie, der
Erbschaftsstreit, der latent vorhanden war, wurde über Monopoly verhandelt,
die Trauerarbeit
für den verstorbenen Schwager (ein großer Monopolyspieler!) auf dem
Spielbrett
ausgewürfelt. Der ging öfter mal ins Gefängnis. P... hatte nebenbei immer
alle Bahnhöfe und
spielte sich dennoch stets ins Desaster hinein. Immerzu werde Monopoly
gespielt, sie zockten sich gegenseitig ab und prellten sich um Geld, Spielgeld
nur, aber egal,
da ging es um
richtig viel. Sie hatten noch die alte Lire-Version mit hölzernen Häusern
und Hotels, sie
prellten sich um Geld und sie beschissen und sie schummelten und waren
nicht ehrlich
miteinander. Er sagte nur, er könne da nicht mithalten und sei nur ein armer
Pole, hätte kein bisschen Geld, könne ihr nicht helfen. Sie könne gerne bei ihm
wohnen.
Italien sei eine
andere Hausnummer, sagte sie, dort hätte sie sogar ein Haus, ihre Familie
sogar
eine ganze Straße, ein Hotel und einen Haufen Geld.
Aber der Hunger
endete nie.