Annette Hagemann: Mondanker
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Annette Hagemann
Mondanker
Kinder, dünn und schlank,
ihre Glieder gebogen wie die
trocken liegenden Anker aus
Stahl, laufen am Strand von Arsila
auf dem
einstigen Meeresboden: Die in den Sand gekrallten Pflugscharen
der Schiffe, ihre klaren
Schattenwürfe und an den Enden ausgefransten
Seile, dazwischen die
angespannten Beine der Fänger,
abwartend, sprungbereit, und
die flitzenden Körper der Läufer –
eine Geometrie aus bewegt und
unbewegt inmitten der
taghellen Mondlandschaft. Es
hat hier mal Wasser und Leben
gegeben, nicht nur
Mondfische. Diese Wüste hat schon alles gesehen,
die Leiber der Tintenfische
und schillernden Schwärme von unten,
vor allem die Wassermassen.
Doch wenn das stillgelegte Meer wieder
geflutet wird – was passiert
dann mit den Kindern und den Ankern:
Wer
wird sie lichten und an Bord welcher Schiffe hieven?