Direkt zum Seiteninhalt

Andreas Altmann: Von Haus zu Haus

Gedichte > Gedichte der Woche

0
Foto: Kristiane Spitz
Andreas Altmann

Von Haus zu Haus


Der Bahnhof ist ein Kartenhaus. Ich steige in den Zug.
Es regnet und die Sonne scheint. Alle Plätze sind besetzt.
Ich bin der einzige Fahrgast. Ich bin bis tief in die Nacht
unterwegs. Ich kann sehen, wie ich die Marktstraße
hinaufgehe. Die Fenster sind dunkel. Sie leben allein
in dem großen Mietshaus. Ich habe sie lange nicht mehr
gesehen. Die Tür ist verschwunden. Jemand muss die Tür
gestohlen haben. Es gibt keinen Eingang. Ich rufe nicht,
ich muss still sein. Mutter und Vater brauchen ihren Schlaf.
Ich kann niemanden fragen, ob sie noch leben. Ich muss
warten, bis es hell wird. Ich suche meine Tasche. Die Fenster
sind dunkel. Immer wieder schaue ich zu ihnen. Meine Tasche
ist leer, jemand hat mir alles daraus genommen. Ich habe nur
noch, was ich am Leib trage. Es wird noch nicht hell. Ich kenne
hier niemanden mehr. Ich trage nur einen Schlafanzug und
keine Schuhe. Das habe ich oft als Kind geträumt. Und mich
wachgerüttelt dabei. Nun ist die Wirklichkeit Traum geworden.
Und ich weiß nicht, was ich tun soll. Die Fenster sind dunkel.
Das Haus ist verschwunden. Der Bahnhof ist zusammengefallen.
Ich sitze im Zug. Er wartet noch, bis ich aussteige.


Zurück zum Seiteninhalt