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Andreas Altmann: Mann des Nordens

Gedichte > Gedichte der Woche
Foto: Kristiane Spitz
Andreas Altmann

Mann des Nordens


Dem Sommer sind die nassen Tücher aus den Händen
geglitten, in denen sich die Tage eingerollt haben.
Das grüne Licht gleitet vor den Augen aus. Ich bin ein Mann
des Nordens und friere in der Nacht, wenn sich die kühle Luft
hinter den Fensterscheiben ansaugt. Ein Kind schreit unaufhörlich
aus der Stille des Abteils. Endlich nimmt es der Vater auf den Arm.
Ich habe die Ankunft der Mauersegler verpasst, immer fliegen sie
an mir vorüber. In den Winterstürmen werde ich schneeblind,
das habe ich einmal geträumt. Der Schnee war schwarz und lief
an den Wangen herunter. Als das Leben noch vor mir lag,
konnte ich es nicht sehen, so unsterblich war ich. Jetzt gehe ich
im Wald spazieren oder sitze unter dem Kirschbaum und zähle Vögel,
die Katzen in ihrem Maul davontragen. Es ist ein Jammer. Zwischen
den Bodenplatten auf dem Bahnsteig wachsen Gräser fußhoch.
Die Menschen machen einen Bogen um sie, soweit es geht.
Und sehen den Zügen nach. Ich schreibe keine Gedichte mehr,
auch wenn das nicht stimmt, so ist es die Wahrheit. Wie gesagt,
ich bin ein Mann des Nordens.


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