Andreas Altmann: Erwachen
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Foto: Kristiane Spitz
Andreas Altmann
Erwachen
Grünes Licht hat sich in die
Schatten gelegt. Etwas erwacht,
hat seine Geschichte begraben im
Schnee. Sein Wasser rinnt
durch die weißen Finger, hat die
Augen gewaschen. Jedes Jahr
fangen die Worte in begonnenen
Sätzen an. Nur das Gesicht
kann nicht mehr folgen. Es sieht
sich aus immer größerem
Abstand über das reifende Feld
gehen. Blühender Raps verspricht
das Gelb in den schönsten Farben.
Die Zeit des Wartens ist
zu Ende gegangen. Jetzt laufe ich
ihr hinterher, mit langsamen
Schritten, als könnte ich mich
aufhalten. Sand hat den Weg
getrocknet. Ich summe das Lied, in
dem ich gewachsen bin
und das an mich glaubte. Es ist so
alt geworden, obwohl ich
nicht singen kann. Bald bringt die
Katze ihre Jungen zur Welt,
Monate später stehen sie sich
fauchend gegenüber. Manche Dinge
ändern sich nicht. Und die Gebete
bleiben immer gleich, fallen
vom Glauben ab. Und werden
wiedergefunden, so gut sie sich
auch verbergen. Das ist eine
traurige Wahrheit. Sie weint oft,
wenn sie allein durch den Wald
geht. Vielleicht lachen deshalb
die Tiere nicht und töten. Dann
bellt ein Fuchs. So wurde ich
immer genannt, als ich ein Kind
war. Meine Tränen waren rot.
Und liefen auch, als ich schlief.
So bin ich erwacht.