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Andra Schwarz: Drei Gedichte aus Tulpa

Montags=Text
Foto: poetenladen
Andra Schwarz

Drei Gedichte aus Tulpa


Sein Körper, manchmal hinter mir im Spiegel: Riesengebirge. Schwesterntiere
verloren in der Wildnis besuchen mich mondsüchtig mit erhobenen Rüsseln,
klagen in verschiedenen Sprachen über Dürre, Sandstürme, hunderte Buschbrände
in wasserarmen Ländern jenseits der Wüste. Ich antworte nicht, trinke zu wenig.
Streifen Mücken über mir her, ihr Surren bedrohlich und du, dünnhäutig wie ich,
liebst mich mechanisch ohne Angst. In den Sümpfen verborgene Nymphen,
Fata Morganen. Falken ziehen mit scharfen Krallen durch unsere Köpfe,
bis er wieder marschiert hinterm Rücken, im Auge träge auf und nieder geht.



Ich werde vom fremden Summen regiert.
Eifrige Honigbienen greifen dich an
in Schwärmen an sieben Tagen.

Das Leben wird nicht zu ertragen sein:
armselig, niemandem ähnlich.

Ich halte eine Mumie im Schrank,
kann ihre Semantik nicht erhaschen.

Sehnen verschlingt meine Sprache.
Brauche eine Zahl, die sich multipliziert
zu Drohnen, Photonen in Licht.

Habe keine sieben Leben,
nur dich und deinen Aberglanz
gegen das Verschwinden.



Immer wenn ich den Kopf verliere, wächst mir einer nach,
sitzt ein weiterer im Genick, sieht, was ich verberge.

Mindestens zehn Trophäen auf dem Tisch,
sezierte Muster: Starre, Angriff oder Flucht,
während es größer wird, voll glitzernder Schuppen,
sich um deine Beine schlingt, selbst unterkühlt.

Die kriechende Bewegung an kalten Tagen
kaum zu ertragen, hochsensibel wie die Zunge,
nach langem Hunger gefährlich.

Mehrt sich ein Dutzend Fangzähne im Kampf.
Wenn du es erschreckst, zieht es sich zurück
in seinen Schlupfwinkel:

eingerollt ins Kissen, bereit zu sterben,
unberührt, fast blind.



Aus den Kapiteln "Elephant in the room" und "The owls are not what they seem"
in: Andra Schwarz: Tulpa. Leipzig (poetenladen Verlag) 2023. 80 Seiten. 19,80.
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