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Aloysius Bertrand: Die Zauberweise von Jehan de Vitteaux

Werkstatt/Reihen > Reihen > Aloysius Bertrand
Aloysius Bertrand
aus den angehängten "Einzelstücken"
übersetzt von Werner Wanitschek

DIE  ZAUBERWEISE
VON  JEHAN  DE  VITTEAUX

Es ist bestimmt einer von den Lieblingen der Gehörnten
von Évreux, oder einer von der Bruderschaft der Enfants
Sans-Souci der Stadt Paris, oder ein Spielmann, der Langue d’oc
singt
       
                                                                 Ferdinand LANGLÉ
                                                              Fabel von der Dame der schönen Weisheit


Das Blätterdach grün und dicht: ein Gelehrter der fröhlichen Wissenschaft, der mit seiner Kürbisflasche und seiner Fiedel reiset, und ein Ritter ausgerüstet mit einem so gewaltigen Schwerte, um den Turm von Montlhéry in zwei Stücke zu haun.

DER  RITTER – Halt! deine Flasche, Vasall; ich hab drei Sandkörner in der Kehle.

DER  MUSIKANT – Euch zu Belieben, doch trinkt nur einen kleinen Schluck davon, dieweil der Wein teuer ist dies Jahr.

DER  RITTER (verzieht das Gesicht, nachdem er alles getrunken hat). – Er ist sauer dein Wein; du verdientest, Vasall, daß ich dir deine Kürbisflasche auf den Ohren zerschlüge.

Der Gelehrte der fröhlichen Wissenschaft setzte, ohne ein Wort zu sagen, den Bogen seiner Fiedel an und spielte die Zauberweise von Jehan de Vitteaux.

Diese Weise hätte die Beine eines Gelähmten gelöst. So tanzte nun der Ritter auf dem Rasen, sein Schwert geschultert wie ein in den Krieg ziehender Hellebardier.

«Gnade! Schwarzkünstler», schrie er alsbald, außer Atem. Und warf immerzu die Beine.

«Recht gerne! zahlt mir erst meinen Wein, hohnlachte der Musikant. Eure Goldlämmer, wenns beliebt, oder ich führe Euch, so tanzend, durch die Täler und die Marktflecken, im Waffen-Gang von Marsannay!

– Hier hast du, sprach der Ritter, als er seine Geldkatze durchsucht hatte und sein Pferd losband, dessen Zügel um den Ast einer Eiche geschlungen waren – hier hast du! und der Teufel soll mich erwürgen, wenn ich jemals wieder aus der Kalebasse eines gemeinen Mannes trinke!»


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