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Aloysius Bertrand: Die Mauleseltreiber

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Aloysius Bertrand
aus dem Fünften Buch "Spanien und Italien"
übersetzt von Werner Wanitschek

DIE MAULESELTREIBER

Dieser unterbrach seine lange Romanze nur, um seine Maultiere aufzumuntern, ihnen Namen wie Schöne und Tapfere gebend, oder um sie zu schelten, sie Faule und Widerspenstige nennend.
CHATEAUBRIAND, Der Letzte der Abencéragen


Sie beten den Rosenkranz ab, oder flechten ihr Haar, die braunen Andalusierinnen, lässig gewiegt im Schritt ihrer Mulis; einige der Arrieros singen den Lobgesang der Pilger von Santiago, der von den hundert Höhlen der Sierra widerhallt; die anderen geben Karabinerschüsse ab auf die Sonne.

«Hier ist die Stelle, sagt einer der Führer, wo wir letzte Woche José Mateos begraben haben, der von einer Kugel ins Genick getötet wurde, bei einem Überfall von Räubern. Das Grab ist durch-wühlt worden, und die Leiche ist verschwunden.

– Die Leiche ist nicht weit, sagt ein Maultiertreiber, ich kann erkennen, wie sie am Grund des Gießbachs treibt, von Wasser angeschwollen wie ein Schlauch.

– Heilige Mutter Gottes von Atocha, bewahret uns! riefen die braunen Andalusierinnen, lässig gewiegt im Schritt ihrer Mulis.

– Was ist das für ein Häuschen auf der Spitze eines Felsens? fragte ein Hidalgo durch die Tür seiner Chaise. Ist das die Hütte der Holzfäller, die diese gewaltigen Baumstämme in den gischtspritzenden Abgrund des Gießbachs hinabgeworfen haben, oder die der Hirten, die ihre entkräfteten Ziegen auf diesen unfruchtbaren Hängen weiden?

– Das ist, antwortete ein Maultiertreiber, die Zelle eines alten Eremiten, der tot aufgefunden wurde, vorigen Herbst, in seinem Laubbett. Ein Strick schnürte ihm den Hals zu, die Zunge hing ihm zum Munde heraus.«

– Heilige Mutter Gottes von Atocha, bewahret uns! riefen die braunen Andalusierinnen, lässig gewiegt im Schritt ihrer Mulis.

– Diese drei in ihre Mäntel gehüllten Reiter, die, als sie dicht an uns vorbeiritten, uns so genau betrachtet haben, sind nicht von den Unsrigen. Wer sind sie? fragte ein Mönch mit staubbedecktem Bart und Kleid.

– Wenn es, antwortete ein Treiber, keine Alguazils der Stadt Cienfugos auf Runde sind, sind es Räuber, die der höllische Gil Pueblo, ihr Hauptmann, auf Kundschaft ausgesandt hat.

– Heilige Mutter Gottes von Atocha, bewahret uns! riefen die braunen Andalusierinnen, lässig gewiegt im Schritt ihrer Mulis.

– Habt Ihr diesen Büchsenschuß gehört, der dort oben inmitten des Gesträuchs abgefeuert wurde? fragte ein Tintenhändler, der so arm war, daß er barfuß ging. Seht! der Rauch löst sich auf in der Luft!

– Das sind, antwortete ein Maultierteiber, unsre Leute, die die Büsche im Umkreis durchstreifen und Zündpulver abbrennen, um die Räuber aufzuhalten. Senores und Senorinas, Mut, und gebraucht beide Sporen!

– Heilige Mutter Gottes von Atocha, bewahret uns! riefen die braunen Andalusierinnen, lässig gewiegt im Schritt ihrer Mulis.»

Und alle Reisenden fielen in Galopp inmitten einer Staubwolke, die die Sonne in Flammen setzte; die Mulis liefen hintereinander zwischen den riesigen Granitblöcken hindurch, der Sturzbach toste in brodelnden Trichtern, die Wälder bogen sich mit ungeheurem Gekrache; und aus diesen tiefen Einsamkeiten, die der Wind aufrührte, kamen undeutlich drohende Stimmen, die sich bald näherten, bald entfernten, wie wenn sich eine Räuberbande in der Gegend herumtriebe.


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