(Astrid Nischkauer:) Literarische Selbstgespräche
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Barbara Zeizinger
Astrid Nischkauer: Literarische Selbstgespräche, keine
Fragen stellte Astrid Nischkauer. Wien (Klever Verlag) 2021. 352 Seiten. 24,00
Euro.
Mit
Beiträgen von Elisa Asenbaum, Dato Barbakadse, Marcel Beyer, Yevgeniy Breyger,
Andreas Bülhoff, Lucas Cejpek, Franz Dodel, Klaus Fischedick, Marco Grosse,
Lydia Haider, Sabine Hassinger, Christine Huber, Aftab Husain, Alain Jadot,
Sarita Jenamani, Adrian Kasnitz, Ilse Kilic, Markus Köhle, Barbara Köhler,
Wanda Koller, Rhea Krcmárová, Margret Kreidl, melamar, Ute Langanky, Barbi
Markovic, John Mateer, Fiston Mwanza Mujila, Natalie Neumaier, Özlem Özgül
Dündar, Ilma Rakusa, Sophie Reyer, Nils Röller, Tobias Roth, Caroline
Saltzwedel, Ferdinand Schmalz, Stefan Schmitzer, Clemens J. Setz, Verena
Stauffer, Marion Steinfellner, Tomoyuki Ueno, Monika Vasik, Linde Waber, Uwe
Warnke, Peter Waterhouse, Fritz Widhalm, Jayde Will, Herbert J. Wimmer, Martin
Winter, Barbara Zeizinger.
Momentaufnahmen von Begegnungen
In 49 literarischen Selbstgesprächen stellt Astrid
Nischkauer keine Fragen
»Ich
spreche nicht nicht, weil ich nichts zu sagen hätte, sondern aus Respekt vor
und Interesse an meinem jeweiligen Gegenüber.« Mit dieser Haltung hat die
kreative Astrid Nischkauer Autoren und Autorinnen auf Messen, in Cafes, bei
Lesungen und anderswo getroffen, um sie zu bitten, in ein von ihr mitgebrachtes
Aufnahmegerät über ihre Literatur und ihr Schreiben zu sprechen. Hinterher
wurden die Gespräche transkribiert, konnten verbessert und ergänzt werden, ehe
sie zwischen 2014 und 2020 auf fixpoetry von Julietta Fix veröffentlicht
wurden. Fixpoetry existiert leider nicht mehr, um so schöner ist, es dass diese
Momentaufnahmen seit 2021 in einem Band des Klever Verlags eine dauerhafte
Heimat gefunden haben.
Weil
jedes noch so gut vorbereitete Interview einenge, will Astrid Nischkauer mit
diesen Selbstgesprächen einen neuen Weg einschlagen, einen Freiraum bieten: »Hier
darf gesprochen werden, frei gesprochen werden, es darf gesagt werden, was man
immer schon gefragt werden hätte wollen, erzählt werden, was einem wichtig ist,
oder es darf genauso gut auch über scheinbar völlig Belangloses um des
Sprechens Willen gesprochen werden.«
Jeder
dieser Aspekte findet sich in den Beiträgen wieder. Obwohl alle im Grunde über
das Gleiche, nämlich über die Literatur sprechen, sind sie in ihrer
Verschiedenheit eine Tour d’Horizon über das Schreiben.
Ein
paar Beispiele. Dabei ist es interessant zu sehen, dass Autoren und Autorinnen
auf die Gesprächssituation recht unterschiedlich reagieren. »Ist es schon an?«,
fragt Adrian Kasnitz und Andreas Bülhoff versichert sich »Ich erzähle einfach
was und wir können es nachher noch redigieren, oder so.« Ganz anders Özlem
Özgül Dündar: »Ah, wie super, weil Selbstgespräche, da kenn ich mich aus.« Auch
Tobias Roth, den Astrid Nischkauer auf der Frankfurter Buchmesse mitten in der
Aufregung um rechte Verlage trifft, ist froh, dass er sich ein bisschen mit
sich selbst unterhalten kann und spricht in seiner Eigenschaft als Compagnon
des Verlags »Das Kulturelle Ge-dächtnis« von dem Versuch, alte Texte
auszugraben, die uns heute noch etwas zu sagen haben. Jeder Autor, jede Autorin
hat ihren eigenen Schwerpunkt und nutzt die versprochene Mög-lichkeit, das
vorzustellen, das ihm wichtig ist.
Yevgeniy
Breyger beispielsweise möchte über wichtige Menschen sprechen, die ihn bis heute
beeinflusst haben, und Dato Barbakadse wiederum zitiert georgische Dichter.
Monika Vasik beschreibt sehr anschaulich und poetisch den Entstehungsprozess
eines Gedichts, und wie wichtig ihr die Wahrheit auch in der Selbstdarstellung
ist. »Im Grunde mag ich nicht reden«, sagt Ilma Rakusa, erläutert dann aber
sehr ausführlich ihre Projekte und ‒»Texte müssen Leerstellen haben« ‒ ihre
Poetologie. Wieder anders macht es die Textkünstlerin Rhea Krčmářová, indem sie
kurzerhand selbst die Rolle der Interviewerin übernimmt und die entsprechenden
Fragen formuliert. Etwas rätselhaft ist die Tonbandaufnahme von Peter
Waterhouse, die ich mir gerne einmal anhören würde: »? / x / ′ ( ) …«
Die
49 Beiträge sind unterschiedlich lang, und einige sind wohl nachträglich von
den Verfassern mehr oder weniger redigiert worden. Astrid Nischkauer hat gut
daran getan, so gut wie keine Vorgaben zu machen. So ist jedes Selbstgespräch ein
eigener Kosmos geworden. Das Buch, so steht auf dessen Rückseite, sei auch eine
Einladung, die Werke aller Künstlerinnen und Künstler zu studieren, die Bücher
aller Autorinnen und Autoren zu lesen. Dem kann ich nur zustimmen. Drei Bände
habe ich mir schon bestellt.