Şafak Sarıçiçek: Drei Gedichte
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Şafak Sarıçiçek
Drei Gedichte
es ist
nicht amour fou
wie wir zu mir
die straßenbahn
jedes mal die selbe stelle
wo die kulturbehörde ein gedicht rechts
über das glas klebte und links über das
glas
wie wir zu uns
jedes mal
dieselbe stelle
deine astrologischen rechnungen
die numerologie des universums
panta rhei deines gesichts
unsere zahlen zu uns
die sprachen dieselbe quersumme
unsere schließfächer mit der gleichen
nummer
bevor wir
als noch du und ich
und bevor das ende vom wir
wir waren beide die sieben
dieselbe stelle deiner tarotrechnung
im steten fluss von allem
was war mit den sätzen den deinen
die ich dir ausgeliehen hatte
und die du mir ausliehst
schon bei unserer geburt und davor
davor in wiedergeburten deinen und meinen
jedes mal gleiches sprachen wir
an gleicher stelle
jemand sagte mir, er glaube nicht an die
kugel
menschen des platon den roten faden
der uns eint
wir sprachen aber gleichzeitig und dachten
es auch
selbiges zur selben zeit
und trotzdem ein glas zwischen uns
unserer kindheit deren irrlichter
zwischen uns das glas
vielleicht haben wir irgendwann den mut
zur selben zeit an derselben stelle
bis nur luft zwischen uns kugelmenschen
die wir dann freie wären
zwei freie die sich lieben
bis wir wieder zu uns finden
und wir gäben uns die wörter wieder
und die luft
***
pium !
bettdecke legte sich
genau wie sich
wörter über dich legen
für den schlaf
ich ziehe dir die
bettdecke über
am bettrand sitzend
greife nach
staubschubladen wortarchäologie
ob du dieses wort
kennst ?
oder jenes
antiquierte ?
pium !
wort
pium !
noch ein -
pium !
wort
es war ein
zubettgehspiel
frohwarm wenn du es
nicht kanntest
das wort
ich wollte dir
altwörter schenken, paradiesvögelwörter
ein kleines
lagerfeuer uns
für den schlaf zu
wärmen
(frohwarm)
***
ein
labyrinthischer kuss
deine träume fingen die tage ein bevor sie
bevor sie an
fingen
sie im traumschleppnetz
den kuss
den unseren
der der flüchtig
im schlossgartenlabyrinth
ich träumte wir küssen uns
sagtest du
und wir liefen die nachtwege hinauf
staubwind trug sie die nacht
sternensysteme den mond
trug sie epauletten
gesticktes die unsere stadt
sandsteinlichter darüber der mond
für den ich keine hatte
keine augen
nur für dich und haken die du schlugst
labyrinthische
du und dein gesicht aus
weichend haken kreise schlagend
ich fing deinen tanz
du nicht mehr ausweichende weiche nacht
stickten einen kuss so sehr seide
wie dein traum
meine pergamentgedanken lösten sich auf
im aschewind
der strom der mich durchfuhr
fuhr durch dich und mich
fing die nacht ein
die verbliebene
die verblichene
angst
wich dem unseren
der flüchtig
du labyrinthische
kein traum mehr
wir nicht