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Zhou Bangyan: Wie damals ihre zart getuschten Brauen

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Zhou Bangyan
(1056–1121)
übersetzt von Raffael Keller


WIE DAMALS IHRE zart getuschten Brauen eine Kummerfurche zogen,
die Tränen über die rote Schminke liefen!
Vor der Tür war es Herbst und finster.
Im Fallen der Blätter ahnten wir den Schmerz der Trennung nahen.
Ein Heimchen war zu hören, wie es klagte in der Nacht.
Stürmischer Regen rauschte.
Lose hing die Phönixnadel im wolkigen Schläfenhaar.
Die Kerzenflamme warf schwankende Schatten ins Fenster.
Das Klackern der Halme im Bambusdickicht wich allmählich der Kühle.
Vereinzelt noch späte Glühwürmchen glommen,
bis sie da ... und dort erstarben.

Weit weg die Zeit!
Ihre Worte auf meine Bitte
um einen Brief: sobald sie auf den Gassen im Schatten der Blumen
das Klirren eines Halfters vernehme,
dränge es sie ans rote Tor ...
ach, wäre sie wegen mir nicht ganz welk geworden
und müsste sich schämen vor mir!
Ins alte Nest seien neue Schwalben gekommen.
Über die Brücken am Fluss strichen die Weidengerten,
doch der Staub der Hauptstadt erfülle die Augen,
denn der Ostwind wehe Tag für Tag um die offenen Pfirsichblüten.



Aus Zhou Bangyan: Lieder. Aus dem Chinesischen von Raffael Keller. edition offenes feld Dortmund 2017. 72 S. 15,50 Euro.
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