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Zeno Bampi jr.: „die Bläue von Himmel & Wasser / das Salz auf der Haut“

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„die Bläue von Himmel & Wasser / das Salz auf der Haut“


über den Lyriker Klaus Menapace




Klaus Menapace (1954–1990) war ein Südtiroler Dichter. Seit Mitte 70er Jahre schrieb er in einer unter dem Einfluss von Autoren wie Erich Fried, Christoph Meckel, Ernesto Cardenal und N. C. Kaser entwickelten, aber bald sich verselbständigenden Sprache Texte von bemerkenswerter Tiefe und Ausdruckskraft. Wo man ihn kannte, vergaß man ihn zu Unrecht.


Klaus Menapace setzte seinem Leben im Alter von 35 Jahren ein Ende. Er hinterließ eine Dissertation über Erich Fried, die in zwei Exemplaren in der Universitätsbibliothek Innsbruck lagert (Status: entlehnbar), und ein schmales lyrisches Werk aus Texten, die zu Lebzeiten verstreut in lokalen Kulturzeitschriften publiziert worden waren. Posthum fassten Freunde und Angehörige sie zu einem Band zusammen: Klaus Menapace. Gedichte 1975–1990.

Seit seinem Tod sind 24 Jahre vergangen. In dieser Zeit fiel der sperrige Name dann, wenn germanistische Studien zur literarischen Produktion im südlichen Alpenraum den Fokus auf die Lyrik ab den späten 70er Jahren legten; wenn es galt, Autoren zu versammeln, die ihre Gedichte „im Sog des Fried-Tons“ geschrieben hatten; oder wenn über den Tiroler Schmerz, dolore tirolese, räsoniert wurde, an dem, so Claudio Magris, der ihm in seinem Buch Die Welt en gros und en détail einen Absatz widmet, Menapace letztlich wohl gestorben sei. Der vorliegende Text aber soll keinem solchen Rahmen verpflichtet sein. Stattdessen will ich den Raum nutzen, um einige seiner Gedichte zu kommentieren und vorzustellen. Denn die knappen Notizen, die am Rande von Menapaces Auseinandersetzung mit Innen- und Außenwelt entstanden, sind vielschichtige poetische Kommunikate von bestechender Qualität und verdienen, wenn nicht wiederentdeckt, so doch entdeckt zu werden.

In seiner Lyrik steht Klaus Menapace der Welt als stiller Beobachter gegenüber. Deutlich wird das besonders an und in den Landschaftsbeschreibungen, die den Ausgangspunkt vieler Gedichte bilden, so etwa von Landschaft im Winter:

Landschaft im Winter

stillsteht die

Kälte / auf dem Krüppelholz

Schnee / grauweißer

Rauch / über den Dächern

  grauweiß / der Himmel

geht früh zur Nacht


Aus einigen wenigen seiner Attribute – Kälte, Schnee, rauchende Schornsteine – setzt Menapace ein vollkommenes Bild des Winters zusammen. Dabei liest sich der Text wie das verdichtete Protokoll einer konkreten Erfahrung. Die den syntaktischen Einheiten zuwiderlaufende Versstruktur ordnet einzelne Wörter so an, dass sie vielfache Verbindungen eingehen wollen und die geschilderten Eindrücke wie in der außersprachlichen Realität in mehr als nur einem Zusammenhang stehen.


veränderte Landschaft


aufscheucht der

Föhnwind / den Hasen

mein Schritt / durch den Schnee

aufbricht die Erde /

  am Fruchtholz der Trieb

      / zu früh noch


Gleiches gilt auch für veränderte Landschaft, ein das gemeinsame Thema variierendes Gegenstück. Deutlicher aber als beim ersten Gedicht springt hier ein abgründiger Zug dieser Landschaftsbilder ins Auge. War das dort erwähnte frühe Anbrechen der Nacht ein Verweis von nur verhaltener Metaphorik, so schließt dieser Text mit einer Bemerkung, deren Lakonie die Drastik ihres Gehaltes nur noch verstärkt: Die Knospe, vermeintlicher Frühlingsbote, wird eingehen in der andauernden Kälte. Diese Wendung verleiht ihm eine beklemmende Note, wie sie auch in der trostlosen Landschaft im Winter angelegt ist. Ihre volle Wirkmacht entfalten beide Texte aber erst, wenn sie nebeneinandergehalten werden. In der Zusammenschau bildet die Szenenfolge aus einer nur scheinbar sich erneuernden Natur eine Chiffre der Enttäuschung und des Misstrauens der Vorstellung von einem zielgerichtet fortschreitenden Leben gegenüber.

Präzision in der Wahrnehmung lässt Menapace die Momente erkennen, in denen Orte und Zeiten sich zu Metaphern verdichten; Präzision in der Darstellung erlaubt es, sie weiterzugeben, ohne erklären zu müssen. Auch das Gedicht Landschaften Orte, in dem das Beschreiben des Außen bruchlos in ein Vermeinen des Innen sich wandelt, legt davon Zeugnis ab; zugleich aber kann es als poetologische Anleitung gelesen werden:

Landschaften Orte

erfinde dir
Landschaften Orte Geschichten
& statte sie aus

mit dem Flirren
des Mittags Katzenkopfpflaster
& wechselndem Licht

vergiß nicht
die Bläue von Himmel & Wasser
das Salz auf der Haut

brennt
in den Wunden


Alltag und Umwelt hat Klaus Menapace in Bilder von schmerzhaft-kristalliner Klarheit gefasst. Doch auch das eigene Ich stellt sich seinem Blick als Beobachter. So ist etwa der bemerkenswerte Text Verführung ein Stück szenische Selbstreflexion.

Verführung

spätabends kommt sie:

Traurigkeit / alte Freundin
setzt zu mir sich schaut
über die Schulter mir
während ich schreibe
raucht trinkt aus
meinem Glas / wird
ungeduldig drängend umarmt mich
zieht aus mich & legt ins Bett
sich zu mir & in mich
dringt ein sie & ich
falle versinke


Das Gedicht beschreibt das Aufsteigen quälender Schwermut im Bild einer vertrauten, allnächtlich sich annähernden Gefährtin. Doch während es die körperliche Nähe als Assoziationsfeld nach allen Seiten hin offenhält, wird letztlich keiner der darin angelegten Bildkomplexe (weder der erotische noch der bedrohliche) wachgerufen. Die Nüchternheit, in der Menapace das Geschehen schildert, findet Entsprechen in der Darstellung seiner Protagonistin: Das Wesen der Traurigkeit erschöpft sich in ihrer Präsenz. Hier, in diesem Grundzug aber, läuft der Inhalt des Textes der Form, in der er geboten wird – der rhetorischen Figur der Personifikation – zuwider. Die Erwartung, dass die Traurigkeit, dem ihr dabei zugewiesenen Status gemäß, als durch bestimmte Züge charakterisiertes Gegenüber, als – wie der Titel verheißt – Verführerin auftritt, erfüllt sich nicht, und aus diesem Bruch erwächst ein Subtext. Während die Schwermut vordergründig ,nach draußen‘ versetzt wird und ,von außen‘ an das lyrische Ich herantritt, bringt das Gedicht, indem es diese Verortung zugleich poetisch konterkariert, als ihren wahren Sitz das eigene Ich ins Spiel.

Auch auf graphischer Ebene sind die zentralen Wortgruppen – „zu mir & in mich“, „sie & ich“ – hervorgehoben. Dies bietet den Anlass, auf eine letzte charakteristische Qualität der Lyrik von Klaus Menapace hinzuweisen: die graphisch-visuelle Gestaltung. Weit mehr als auf die akustische ist auf die optische Wirkung der Texte geachtet. Die meisten Gedichte sind, mit stark schwankenden Verslängen, versetzten Zeilenanfängen, signalhaft wirkenden &-Zeichen und Virgeln in eine aparte, künstlich geschaffene Form gebracht, die die Rezeption durch den Leser modulierend, ergänzend oder präzisierend mitbestimmt. Das gilt für das oben wiedergegebene Gedicht Landschaft im Winter, welches als Ganzes dem Bild abgestorbenen Geästs nachgebildet zu sein scheint. Noch mehr aber gilt es für das Gedicht nachher, das im flüchtigen Bild auseinanderdriftender Wolken einen sehnsuchtsvollen Gedanken zum Ausdruck bringt:

nachher

(für T. / statt eines Bildes)


die Stille / über dem Fluss

Wolkenfelder / unruhig

aufgerissen / der Himmel

muß weit sein


Zeno Bampi Jr.


Zeno Bampi Jr., geboren 1989 in Bozen, seit 2010 Studium der Germanistik/Philosophie in München, seit 2012 Mitarbeit im Studentenmagazin Philtrat; hier wurde der Text im Juli 2012 erstmals veröffentlicht.

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