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Yevgeniy Breyger: 4 Gedichte

Montags=Text



Yevgeniy Breyger

Vier Gedichte



schöne lagunen erheben sich aus korallenriffen,
angebetet von krabben und steineherden.
ihre struktur ist strukturloser sand. sand
in meinen gelenken, über haarwurzeln sand,
in meiner größeren hand, sand, sand.

so läuft der urlaub der verkannten kirschkernspucker,
ihre lang ersehnte pause. wir spucken zusammen.
ich, einen meter weit. mein urlaubsbetreuer,
tief ins korallenherz. er hat alles verstanden, was nötig ist.
zu hause wartet meine mutter auf der couch,

im fernsehzimmer liegt ein deutscher teppich,
darunter sandfamilien, bereit zum export.
es gibt kein geräusch fürs zerfallen der riffe,
außer das rascheln einer traurigen krabbe.
krabben, weicht aus, hört auf, eure scheren zu baden.

sie hören nicht.
meine böse mutter, ist eine liebe frau. sie ist faul.
sie schaut ungern hinunter, oder hinaus. ungern ins wasser.
ich sitze daheim vorm katholischen aquapalast,
putz dich selbst, aqua, putz dich mit deutschem sand.



(---)



seit letztem herbst hat mein haus keine nachbarn.
von beiden seiten wurde abgerissen.
nur wölkchen ausgeatmeten stickstoffs
zeugen von früherem leben.
die wände verkommen, bestehen zur hälfte
aus blätterskeletten, zur hälfte aus gips.
das haus steht im schwemmgebiet, wo soll ich hin?
draußen in die sauren pfützen treten?
die fossilien von schnecken aufsammeln?
das erledigt mein robofreund für mich. bisher.
wir beide sind solarbetrieben,
doch welche sonne, freunde? von sonne
blieb nur o. auf der couch vor dem fernseher
legt mein freund seine handvorrichtung
auf meine schulter, als wären wir ein normales pärchen.
die tage vergehen langsam, manchmal sogar
sehr langsam. wir sitzen, warten auf neue nachbarn.



(---)



über rohrpost versetzen sich insektennymphen zurück ins reale,
werden als bäume wiedergeboren.
was für eine welt! was für ein kanal!
ich wurde im traum durch den abfluss gespült,
tauchte auf als bemaltes denkmal in leipzig
zwischen sternburg diesel und spinnentrauben. transport
ist eine tugend. tugend, ein laster. laster,
moralisch betrachtet ein ornament von glück.
ich lief durch die falsche allee. oder war ich der falsche?
die bäume verweigern sich stur der statistik,
werden trotzdem gezählt.
ich sollte nicht weinen, die knie enger am körper behalten
als universelles zeichen für erkenntnisprobleme.
ich sollte die nymphen ignorieren, ihre flüge,
die ausgeweideten regenparzellen bei regen. und den tod?
nein, den tod nicht. der ist mit seinen eltern beschäftigt,
sitzt beschämt in der ecke. armer blöder tod,
arme nymphen, es ist nicht euer sommer.



(---)



die weissagung wird sich bewahrheiten.
meine hände werden enorme feuer entfachen.
feuer, weit über die hecken der nachbarsgärten,
hinaus ins wahre gebüsch.

meine kiemen werden explodieren, nichts
wird bleiben. alles ruhen. du wirst es merken, ja,
wirst mich ansehn ohne augen, das wird hart.
vögel werden sich paaren im licht der laternen,

sie werden neue vögel gebären.
das ist der alltag der beinahvögel zyklopen,
so sehen sie uns durch ihre plastikfernrohre.
daher ihre ängste.

ich werde meinen drucker einschalten,
einen fahrplan ausdrucken in ihre volieren.
du wirst mich nicht fahren lassen, du wirst
sagen: bleib bei mir und wirst es so meinen.


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