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Peter Boyle: Nachmittags in Revesby

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Peter Boyle
Revesby Afternoon

übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von
Cornelia Hülmbauer und Timo Brandt


Revesby Afternoon


"We have to be clear."
Someone is talking into a mobile.
A car buzzes the listless smokers.
Two children explode like small hand grenades
whirring on the spot.
Sporting a glamorous hijab
their mother is texting a desultory reply
to her mother.
There are chains of messages reaching back
to the caves of the Dordogne
and forward to the flies that step cautiously
across the flaking skin of an old woman fallen asleep
on a subway train at the end of the twenty-third century.
The sky is neutral today like a study in greys
and it is hard always breathing in
the taste of a little more gloom.
A wave from the kid who jumps
to touch an overhanging bannister.
The sea sprite dives deeper
to lure the mariner to her brightly lit grotto
of whale bones and giant squid.
His erection grows harder as the pressure
of a thousand tons of ocean above him squeezes
his scrotum and throat.
                                           Sumptuous days.
They are walking in pairs down the avenues,
mothers and daughters, comparing
handbags and shoes on Bargain Basement racks.
"I'll change all the locks to the doors."
"I'll reinvent my life."
Rain falls. A man in an orange vest
smiles as the first drops stipple his skin.
Motorized wheelchairs and light planes
trace borders to the tableau of the afternoon.
          Across the threadbare park
                    the train is ready to depart.
I am exactly one year older
than the average
just-buried male corpse in Russia.
Nachmittags in Revesby


"Das muss uns klar sein."
Jemand redet ins Handy.
Ein Auto überbrummt die lustlosen Raucher.
Zwei Kinder explodieren wie kleine Handgranaten,
vom Fleck weg schwirrend.
Deren Mutter, die einen glamourösen Hijab trägt,
schreibt eine halbherzige Antwort-SMS
an ihre Mutter.
Es gibt Nachrichtenketten, die zurückreichen
bis zu den Höhlen der Dordogne
und reichen werden bis zu den Fliegen, die behutsam wandern
über die schuppige Haut einer alten Frau, welche eingeschlafen ist
in einer U-Bahn am Ende des dreiundzwanzigsten Jahrhunderts.
Der Himmel ist heute neutral wie eine Studie in Grau
und es ist schwer, immer den Geschmack
von etwas mehr Düsterkeit einzuatmen.
Ein Wink von einem Kind, das springt,
um ein überhängendes Geländer zu berühren.
Die Nymphe taucht tiefer
und lockt den Seemann in ihre hell erleuchtete Grotte
aus Walknochen und Riesenkalmar.
Seine Erektion wird stärker, da der Druck
von tausend Tonnen Ozean über ihm
ihm Hodensack und Hals presst.
                                           Üppige Tage.
Paarweise gehen sie die Straßen entlang,
Mütter und Töchter, und vergleichen dabei
Handtaschen und Schuhe auf Grabbeltischen.
"Ich werde alle Türschlösser austauschen."
"Ich werde mein Leben neu erfinden."
Regen fällt. Ein Mann in einer orangen Weste
lächelt, als die ersten Tropfen sein Gesicht tupfen.
Motorisierte Rollstühle und Leichtflugzeuge
fahnden nach den Grenzen der Nachmittagsszenerie.
          Gegenüber vom fadenscheinigen Park
                    ist der Zug bereit zur Abfahrt.
Ich bin genau ein Jahr älter
als die durchschnittliche
eben begrabene männliche Leiche in Russland.

Peter Boyle mit Vita im SurVision Magazine, Issue 1

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