Martina Hefter: In Yetiherden
Martina Hefter
In Yetiherden
Auszug
1
ich hüte Yetis, eine Herde
ihre Fohlen
sie bilden Knäuel
es knispelt, sie stolpern
und fallen, die Fellhändchen leckend
hängen sich an Schlitten von Liften
werfen sich selbst aus
und kugeln und purzeln
natürlich steh ich ein wenig abseits
im Herzen des Gletschers
wo Eis steil hinunterweist
sofort gleitet die Sicht nur so weit wie
in Fallen
ohne dass Nacht herabfiele
kommen als Schatten
Lassos vom Tal
über Pisten
nichts wird mich wiederfinden
2
aus engem, panischem Denken
fädle ich mich heraus
falte auf Skiern Haltungen auf
Strauß weicher Schwünge
rase abwärts ins Tal
werf mit dem Ski
nach Idioten am Rand des Hangs
in jedem Gebirge
einen Yeti erledigen
ich spür keinen Drang
sie sollen weiter mit dem Hintern wedeln
3
ich in Yetiherden
dränge Bäuche, Fäuste fort
sie formen mich, schon
lieg ich da wie Heu
mich überfährt Gewicht, Blei und
Leiber, die kein Training je ergreift
vergesst das Schwitzen
hier müffelts nach Ich-Elixir
in einen Pferch gesperrt
- hier wehen Geister -
lockern Yetipfötchen (dort
ja dort ist die verspannte Stelle)
Blei meines steifen Genicks
und gelenkig ist, wer - wie ich - spickt
unter Gletschermützen
nach Yetizitzen
7
ich kann einiges vertragen
und habe scharfe Krallen
unterm Halluzinierkostüm
lügt mein Körper nie
Baby
ich rase im Slalom
ich versteck die Ski
unterm Fellmantel
ich biege als Biest
um die Ecken der Berge
10
was, wenn ich einen Yeti liebte
seinen Namen sänge
sein Echo im Gletscher sich verdünnte
was wenn ich abends nach ihm riefe
weit hinein ins Plateau, ihn zu locken
mit ganzem Einsatz meines Körpers
ginge ich hervor als Yetiknete im Fall
meine Gestalt zerschellte an Felswand
als heimlicher Zwilling
will ich, mit Haut und Laut, mich ihm zeigen
Anmerkung:
Jeweils zwei Gedichte wurden so nebeneinander geschrieben, dass sie, die beiden gegenüberstehenden Verszeilen durchgehend gelesen, zugleich ein größeres Gedicht ergeben.
In: Martina Hefter: Ungeheuer. Stücke / Gedichte. Berlin (kookbooks) 2016. 80 Seiten. 19,90 Euro.