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Jayne-Ann Igel: Abstiege

Montags=Text


Jayne-Ann Igel


Abstiege




baumelnd am galgen der jahrzehntziffer sieben, was trieb ich da – blätterte gestern auf der suche nach einer hommage an bruno schulz, die ich ende der 70er verfaßt, in der kladde, las einige der anderen texte, von denen ich damals was gehalten, zumindest soviel, daß ich sie gelegentlich von einer kollegin in ihrem volkseigenen betrieb abkopieren ließ …

electrifikation nennt sich einer, er handelt, wie eine vielzahl anderer gedichte auch, vom abstieg in eine welt, vor der mir eigentlich grauste, ekelte, vor räumen, unter

deren niedriger decke rohrleitungen verlaufen, armdick, bloß oder mit einer isolationsschicht versehen, die an manchen stellen schütter; vor kanalisationen und unterführungen, die verschmutzt von papier, essensabfällen, auswurf – in solchen räumen vornehmlich siedelte ich diese texte an, in räumen, die ich nach möglichkeit zu meiden trachtete, und war ganz in deren erörterung befangen.

Die texte oft in einem dialogischen gestus, an ein fiktives, ganz und gar verborgenes ich gerichtet, appellativ, und im schreiben vielleicht schon das gefühl, dem gegenstand kaum nähergerückt zu sein, sich einer optik zu bedienen, die nichts taugt – nein, nichts von diesem haus- und stadtgedärm wirklich ans licht gezerrt, obgleich ich doch wöchentlich einmal beispielsweise diese tunnelartige eisenbahnbrücke nahe der berliner straße unterquerte, wo auch tagsüber das licht brannte, und knapp über kopfhöhe rohrleitungen längs der bürgersteige entlangführten.

Rohrleitungen, die dick ummantelt waren, bis auf die ventile, die für druckausgleich sorgten – von dort war ein zischen zu vernehmen, weshalb es den zeitgenossen immer im eilschritt diese passage hindurchtrieb, so er nicht ohnehin die bahn genommen, nur diese eine haltestelle, hin- wie auch rückwärts – das zischen und ticken in den rohren machte ihn nervös, und manchmal nahm er einen längeren umweg zu fuß in kauf, dem zu entkommen … In den texten hingegen feiert das lyrische ich diese unterweltlichen szenerien, expressiv, ekstatisch, zwingt es sich hinab ins unvermeidliche – daß es unvermeidlich, letztendlich, dessen war der zeitgenosse sich sicher, nur wußte er nicht darum …


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