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Jan Kuhlbrodt: Triptychon-Projekt - Eckermann und Frankenstein

Theater / Kunst > Kunst > Theater


Jan Kuhlbrodt


Triptychon-Projekt  
Eckermann und Frankenstein

Uraufführung als Theaterinstallation am Projekttheater Dresden, 1997 »


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1.
Stille,
Licht aus.
Straßengeräusche,
Überlagerung durch gesungene Vokale (o,i,o)
Spot auf Frankenstein.
Frankenstein über die Vokale: Wo bin ich hier?
Licht aus.


2.
Im Video Eckermann, sachlich, wie in einem Dokumentarfilm:
Der Techniker will jetzt Chronist sein.


3.
Vokale, Maschinengeräusche. Ein bulliger Krankenpfleger.
Ein Arzt

Frankenstein (an einen Stuhl gefesselt):

Warum bin ich hier, warum steckt man mich in eine Zwangsjacke? Warum bindet
man mich an einem Stuhl fest?
Und sie, wer sind sie? Ich bin ein freier Mann, oder vielmehr: ich sollte es sein.
Ich verlange, daß man mich sofort befreit. Ich verlange, daß man mich sofort losbindet.
Sofort! Unerhört! Und wo sind wir hier?  
Der Raum: er ist schrecklich, der Raum.
Weiß ist der Raum, schrecklich weiß.
Dieses Licht. Wer gibt ihnen das Recht?
Dieses Licht ist schrecklich. Dieses Licht ist eine Frechheit. Wer gibt ihnen das Recht,
mich hier so festzuhalten? Bei diesem Licht. Woher nehmen sie das Recht,
mich hier festzubinden? Wer gibt ihnen das Recht, mich in eine Zwangsjacke zu stecken?
Wer erlaubt ihnen, mich so zu beleuchten?


Bin ich denn ein Verbrecher, nur weil ich die Wahrheit sage, nur weil ich mein Recht
eingefordert habe, nur weil ich der Schöpfer dieser Kreatur bin, der Hersteller, ich?


Nur weil ich ... Halt, ja, Wahrheit, wir sind in einem Irrenhaus. Die Wahrheit macht mich
irre, weil sie sonst  alle andern irre machte, außer den Eckermann vielleicht und
außer die, die wissen vielleicht, und sicher außer ihn, der ist, was er ist und mich irre
macht, weil ich weiß, was er ist.


Eckermann, du Schwein, du hast mich ausgenutzt, du Schwein!
Sehen sie mich nicht so an! Ich bin nicht krank. Sehen sie mich nicht so an, und binden
sie mich los.
Das ist kein Mensch, das ist ein Pavian, sehen sie sich nur die Pranken an! Bleib ganz
ruhig, Pavian! Ja, so ists gut Kollege, zeigen sie ihm, daß er sich beruhigen soll!
Und jetzt lassen sie ihn meine Fesseln lösen, ich bin Doktor Frankenstein!
Ich bin ein Arzt wie sie. Ich weiß selber, wann ich krank bin, und jetzt bin ich gesund.
Gesünder bin ich, als je zuvor. Jetzt, da ich alles weiß. Oh, dieses Licht ist eine Frechheit!


Und der hat die Stein bekommen.
Alles habe ich für sie gemacht, und alles hat der eingesteckt, und der hat die Stein
bekommen. Und was ich scharf war auf die Stein, und Eckermann hat mich
hereingelegt, und Goethe hat die Stein gekriegt.

Am Ende war doch die Geschichte mit der Stein ganz meine Geschichte und nicht
die seine, und er hat die Stein gekriegt, und es ist seine Geschichte, weil ich scharf war
auf die Stein.



4.
Eckermann  (Video):

Ich, der Chronist Johann Peter Eckermann, der einstige Schöpfer, werde Sekretär,
bin schon Sekretär.



5.
Frankenstein, Licht, vielleicht leise Kriegsgeräusche:

In Ingolstadt, da lebte einst ein sprödes Volk. Die Frauen nichts, und nach dem
Krieg, die Körper waren schlecht.
Der Krieg ist übel für die progressive Anatomie, da braucht man unversehrte Leiber,
von Geköpften und Gehenkten, doch niemals die der Ehrenvollen, die im Feld sich
schlachten ließen, ohne Zeit und mit wenig Blick für die Organe, hastig einfach
hingeschlachtet. Und der Fürst steckte alles in den Krieg, jeden Mann und jede
Mark, und nichts mehr in mein Labor. Die Instrumente setzten Rost an und das Glas
war Bruch.
So stand ich auf dem Schlachtfeld und sichtete die Leichen. Hier und da fand sich
noch ein Körperteil, welches zu brauchen war.
Da kam ein Typ mit einer Staffelei und fragte mich nach meiner Arbeit. Dieser
Mann war Eckermann, das Schwein. Mit ihm fing alles an. Mein Leben war nicht
das beste, auch die Frauen, wie gesagt, in Ingolstadt waren spröde, waren
Kriegerfrauen, waren treu und waren scharf auf Kriegerwaden nur. Und als er,
das Eckerschwein, mir mit dem Himmel winkte, kam die Hölle.
Die Hölle, das ist, wenn du alles hast und doch nichts kannst. Die Hölle, das ist,
wenn deine Geschöpfe auf dich spucken und du darfst sie nicht mal mehr erschießen,
denn das wäre Mord. Sie verstehen?  
Die Hölle ist nicht, wenn du deine Angebetete nicht bekommst. Die Hölle ist,
wenn du denkst du hast sie, und du bist es nicht, der sie hat.



6. / 7.
Eckermann und Frankenstein teilweise simultan:


Bei ihnen ist das sicher anders. Sie
machen ihre Leute so zurecht, daß
niemand mehr an ihnen Anstoß
nimmt, daß sie  sich einfügen und
unauffällig gehen unter anderen.
Und sie werden niemals spucken,
wenn sie ihnen begegnen, Herr
Kollege; Vielleicht werden sie an
manchem Orte leugnen, bei ihnen
gewesen zu sein, aus Angst, doch
niemals werden jene sie
verunglimpfen. Und die, die
widerspenstig sind, die bleiben
eben hier. Doch ich, ich gehöre
nicht hierher. Alles, was ich sage,
ist die Wahrheit, ob sie es glauben
oder nicht. Ich habe Goethe gebaut.
Da war also dieser Kauz mit
Staffelei und zwischen Leichen.
Braune Erde, hier und da ein Bein
in den Furchen, die Granaten
aufgewühlt hatten. Kein Bauer
hätte den Acker besser pflügen
können und die Saat  






verteilen, als in den Furchen lagen  
gut verteilte Eisensplitter und   
dazwischen Menschenteile. Nur mit  
Menschen ist das anders als mit
dem Getreide. Sie wachsen nicht
im Feld, Menschen wachsen nur
im Reagenzglas. Vielmehr sie
wachsen nicht, das habe ich noch
nicht gelöst, wiewohl ich auf dem
besten Wege war. Sie wachsen
nicht, so mußt ich Fertigteile
nehmen.
Ich versuchte Menschen
herzustellen.
Ich setzte sie zusammen aus alten
Teilen und gab ihnen Leben ein mit
Strom, den ich aus einem Blitz
gewann und dann in Kohlenstoff
und Zink und Säure aufbewahrte.
Sie wissen das Gehirn funktioniert
mit Elektrizität?! Aber sicher
wissen sie, ich seh ja die Geräte
hier.
Bis ich ihn traf,
war es mir noch nicht gelungen,
einen Menschen
herzustellen, der richtig
funktionierte.  
Meine Prototypen waren schwer zu
kontrollieren, und sie kontrollierten  
sich nicht selbst, so mußte ich sie
erschießen.  















Sie wissen, was ein Mensch ist?
Sie wissen was ein Charakter ist
oder sein Charakter oder der
Charakter eines Menschen ist? Sie
wissen was die Größe eines
Menschen ausmacht? Sie wissen,
was die Leistung eines
Menschen ausmacht? Sie
meinen, es zu wissen. Sie wissen
es im Grunde auch.

Allerdings erscheint es ihnen als etwas
Natürliches. Sie sprechen von der Natur
eines Menschen. Seine Größe scheint
angeboren. Menschengröße - es ist schon
merkwürdig, wie man versucht,
Elemente der
physikalischen Ordnung für
geistige Erhabenheit zu
benutzen. Die Größe eines
Menschen legt ein Maß nahe,
doch zeichnet einen großen  
Menschen gerade die
Maßlosigkeit in einigen
Belangen aus. Grenzenlose
Intelligenz so wie maßlose
Disziplin. Auch wenn Disziplin
zunächst jede Maßlosigkeit
auszuschließen scheint, so ist es
gerade diese Disziplin, die ins
Grenzenlose reicht, um dieses
zum Kristall der Genialität zu
begrenzen. Die sich selbst
begrenzende Maßlosigkeit,
welch Widersinn, doch wer will
schon behaupten, er hätte
Genialität begriffen?
Nur einer, der sie hervorgebracht hat. Nicht
in dem Sinne, daß er selbst genial



wäre, die meisten Genies wissen
nicht um ihre Genialität, nein, er
muß der Schöpfer einer genialen
Person sein.  
Groß ist der Schöpfer, versteckt
groß jedoch, Genialität aber
leuchtet im Lichte des Publikums
und seiner Anbetung. So
verkehrt diese Bewunderung die
Religion, da sie nicht dem
Schöpfer, sondern dem Produkte
huldigt.
Die Menschen macht der Chronist. Der
Chronist schreibt die Geschichte, die
die Menschen macht. Er schafft die
Tat, die Realpoesie. Ich bin der
Schreiber, Hervorschreiber. Ich habe
ihn erschrieben, erdacht,
hervorgebracht. So dachte ich.

8.
Frankenstein: blaues Licht im ganzen Raum, Geräusche.

Eckermann bedeutete, daß seine Studien sich erledigt hätten, da er mich getroffen
hatte und bot mir an, ihn nach Weimar zu begleiten. Und ich tat's. Denn:
Dort richtete er ein Labor für mich ein; er hatte einen bürgerlichen Geldgeber
aufgetrieben und besorgte Körpermaterial aus der örtlichen Justiz. Man war zu
der Zeit mit Todesurteilen geradezu verschwenderisch und vollstreckte massenhaft.

Und dann gab es da diese Frau, vor der mich Eckermann zwar warnte, doch schlug
alle Warnung fehl.
Zuerst erforschte ich dann mein Labor, das vorzüglich war.

Die Arbeit ging voran. Alles war sauber und neu, es machte mir Spaß. Nur dann
und wann kam Eckermann und schaute mir zu, um zu lernen, wie er vorgab.
Ach jetzt weiß ich, er kam nicht zum Lernen, er wollte sehen, wie es um meine
Fertigkeiten steht und ob er mich nun für sich nutzen könne.

Licht aus.


9.
Eckermann:

Oh ja, es ist mir jetzt, als wär es gestern gewesen.
Goethe erwachte, als wäre er erschreckt von seiner Phantasie und sah
mich verwundert an, als hätte ich seine Worte gesprochen; und nach
einer Weile schrie er: Ich bin ewig! Bin ich ewig?


Dieses Erwachen erinnerte mich an sein erstes Erwachen und wie er vor
uns lag, vor mir und Frankenstein. Er lag da, feucht noch, und Frankenstein
beugte sich über ihn und sagte: Du Goethe, ich Frankenstein. Und Goethe:
Du Goethe, ich Frankenstein. Frankenstein versuchte es nochmals, bekam
aber als Antwort immer nur, was er selbst sagte. Ich Frankenstein, du Goethe.
Goethe schien gefallen zu finden an diesem Spiel, zumal Frankensteins
Mimik vom feinsten war, der Mensch, an sich schon mehr als häßlich
setzte die grauenhaft-komischsten Masken auf, und Goethe entlockte
sich die irrwitzigsten Töne: Du Goethe, Tröte blöde Tröte Goethe Trottel
und so weiter. Frankenstein brach darauf in sabberndes Geschrei aus,
daß man nicht mehr wußte, wer hier eben das Licht der Welt erblickt hatte.
Er wollte sich auf sein Produkt stürzen. So mußte ich einschreiten.
Ich brachte Goethe in Sicherheit und erklärte Frankenstein, daß er mit der
Hülle zwar beachtliches geleistet hätte, daß ein Genie aber nicht Hülle ist.
Seine Arbeit sei nun beendet. Er hätte den Menschen erschaffen, ich
erschüfe nun das Unsterbliche am Menschen. Von da an gab ich Goethe
alles zu lesen und schrieb, bis zu besagtem Dösen, jedes Wort auf, das er
sprach.



10.
Frankenstein, wieder blaues Licht


Und eines Tages sah ich diese Frau. Ganz zufällig, ich war unterwegs mit
Eckermann zur Leichenschau, da kam sie aus dem Haus des Richters, und
ich sah sie in ihrer vollen Pracht. Es war ein Tag voll Sonne.
Ja wahrlich, Eckermann hatte mich gewarnt, doch was nützte die Warnung
angesichts dieser Frau. Man könnte meinen, er hätte es gewußt. Doch warum
ist er ihr nicht verfallen? Diese miese Ratte ist noch so mies und
kann der Schönheit trotzen. Ein Prachtstück aber, dieses Weib.
Ja, ich war einer der unglücklichen Rivalen, die lauerten, jeder auf den
anderen, ganz ohne Grund und Chance, je diese Frau zu ereichen,
und  der Eckermann hat mich hereingelegt, hat meiner Liebe Gier schamlos
ausgenutzt, hat behauptet, wenn ich einen Goethe baute, wäre ich ihr nahe.
Ich sei zu häßlich um sie zu erreichen. Doch mein Homunkulus,
der könnte Punkte machen bei der Stein, denn alles, was mir fehle,
könne ich ihm geben, und wär ich es nicht selbst, der sich zu ihr legte,
wenn mein Geschöpf es tut?!
Und ich tats und gab mein bestes und eines Tages ...
Du bist Goethe, ich bin Frankenstein. Bla Blaä Wolfgang, Johann Goethe,
ich Frankenstein, du Frankenstein, du Arschloch, dummes Schwein, hast
du mich gehört?! Und sie Kollege, kannst du mich verstehen, ich bin
Frankenstein, Erschaffer, Quatsch, Schöpfer dieser Kreatur. Du bist Goethe,
verstehn?! Was habe ich da erschaffen? Einen Dieb, einen Hochstapler,
eine Lüge aus Fleisch und Blut. Und wenn Fleisch und Blut vergangen sind,
wird bleiben diese Lüge. Ich war nur der Anfang. Was heißt hier nur?
Im Anfang war die Stein und dann war Tat. Ach was! Am Anfang war der
Eckermann und dieser Krieg, der mir die Leiber nahm. Ich Frankenstein,
du Goethe. Und die Wahrheit macht mich irre. Bin ich denn der Einzige,
der die Wahrheit glauben kann. Sind denn alle anderen meschugge?
Oder ist das alles nur ein Traum? Wo bin ich? Ist das mein Labor in
Ingolstadt? Nein hier ist alles hell und sauber. Stellen sie doch dieses
schreckliche Licht ab! Noch bin ich Arzt und kann Gesundheit von der
Krankheit trennen, meine ich. Da lag sie, diese Kreatur und dachte,
sie sei ich. Lag da und sagte: 'Du bist Goethe ich bin Frankenstein.'
Ich wollte sie erschlagen, wie die anderen, die auch nichts wußten
und so unkontrollierbar waren. Völlig leer ist das Gehirn, wenn sie
erwachen. Mag sein, ich bin ein schlechter Pädagoge, doch sehen sie,
es sind erwachsene Männer und benehmen sich wie Babys und ich
habe sie erschaffen, wer soll da nicht verzweifeln. Doch Eckermann ging
mir dazwischen und nahm ihn mit. Der Mann, den ich erschaffen, ging
mit Eckermann, der zu ihm Johann Wolfgang sagte und ihn behandelte
ganz wie ein Kind und nicht wie einen Mann.
Doch er war mir gut gelungen, dieser Goethe, so gar kein Kind, vielmehr
ein Mann, ganz stattlich.
Von nun an schrieb der Eckermann jedes Wörtchen auf, was Goethes Maul
entfleuchte und fütterte ihn auch mit jedem Wort, was ihm zu Händen war.
Aus Goethe wurde eine Denkmaschine, die Sätze produzierte in einzigartiger
Anzahl. Und jeden schrieb er mit, der Eckermann. Und dann, nach einer Weile,
hat er sie geordnet und Cotta sie gedruckt.
Jetzt wurde sie bewundert, meine Kreatur, und ich sah meinen Morgen dämmern.
Der Cotta würde reich und ich beliebt, ich, der Schöpfer dieser einzigartigen
Kunstperson. Die Stein würde mir zu Füßen liegen.
Doch sie lag mir nicht zu Füßen. Vor dem Kunstprodukte kniete sie und hörte,
was er sagte und war wie Wachs in seinen Händen, die ich gemacht und die doch
nicht meine Hände waren.
Hatte nicht der Eckermann gesagt, daß das, was Goethe besitze, auch mir gehöre?!
Gewissermaßen ja, doch hatte ich nichts davon. Wenn er bei der Stein lag verspürte
ich keine Befriedigung, und keinen Stolz verspürte ich wenn er bewundert wurde
für seine Leistung, denn niemand wußte doch, daß ich ihn geschaffen hatte, und
als ich es bekanntgab ...
Sie sehen selber wo ich jetzt bin. Niemand glaubt mir, und ich seh in ihren Augen,
sie auch nicht.
Ich beschwerte mich bei Eckermann, der wenigstens als Sekretär und Freund des
Hauses an Goethes Ruhm partizipierte und so zu Eckermann erst wurde, sie verstehen.
Vorher war er nichts, jetzt ist er Goethes Eckermann.
Er sagte, das sei meine Tragik. Mein Produkt übersteige mich um einiges, und
niemand würde glauben, ein Affe könne Philosophie betreiben und so könne auch
niemand glauben, mein Produkt sei Schöpfer eines Faust. Goethe gehöre lang schon
nicht mehr mir, sondern der Gemeinschaft, und er,Eckermann, partizipiere nur an
Goethens Ruhm, weil er beide, Gemeinschaft und Goethe, zusammenbrächte.
Ich sei viel zu sehr ans Irdische gebunden; ich hätte zwar den Mann gemacht,
doch er, so sagte er, das Genie.



11.
Eckermann:

Und die Frage nach der Ewigkeit.
Ich wußte zunächst nicht, worauf er hinaus wollte.
Ich verwies ihn auf die Haltbarkeit der Bronzen, welche seinen Namen
tragen, auf die Bücher und ihre Wirkungen und auf seine beständige
Verjüngung durch neue Rezeption. Aber das wollte er nicht hören.
Er wollte den Unterschied sichtbar machen zwischen ihm und mir,
wollte mir zeigen, daß er mich, seinen Schöpfer, längst überstiegen hatte.
Er verlangte, daß ich ihn nunmehr mit 'Eure Exzellenz' ansprechen solle.
Erstaunt erst und dann erzürnt entgegnete ich:
Jetzt hast du also dein pluralis majestatis durchgesetzt, ist das das Ziel
deiner Wünsche? Ich, dein Schöpfer, bin nunmehr noch dein Sekretär,
und mehr nicht, ich bin gerade jener Trottel, der deine Schreibmaschine
spielt und die Manuskripte ordnet.

Und er fragte, was ich ohne ihn wäre. Alles! entgegnete ich. Und er:
Nichts!
Nichts ist alles, sagte ich, Herr Geheimrat, Ihr seid Dichter und berühmt,
doch seid Ihr Dichter, sagte ich. Eure Scheiße ist nicht mehr Eure Scheiße,
sondern die Scheiße des Dichters, sagte ich. Euer Blut ist das Blut des Poeten
und Euer Wort hat Gewicht. Jeder Furz ist öffentlich und ich sorge dafür,
daß er auch bekannt wird, sagte ich, jeder Furz. So habt Ihr mich überstiegen,
aber nur durch mich, sagte ich. Ich verbreitete die Kunde Eurer Anwesenheit,
sagte ich, und öffnete somit Euch die Türe zur Welt und der Welt Eure Tür.
Und indem auf Euch geschaut wird erst seid Ihr, sagte ich, und seid mehr als ich,
der da zeigte und zeigend zeugte. Mag sein, daß Cotta mich ignorieren würde,
aber Ihr seid nicht mehr würdig, ignoriert zu werden.
Auch wurde sein Wort gehört, sprach er, und es sei mit Schweiß geschrieben.
Aber, sagte ich, was es beschreibt, ist nicht Euer Schweiß. Der Schweiß der
Anderen wird zum Diamant auf Eurem Hals und dem der Organisatoren.
Die Muskel wird zur Zahl auf Euren Konten, und dafür setzt es noch
Bewunderung der Genialität. So schreib ich nur mit Tinte, sagte ich, und ich
bin froh darüber. Sicher, ich hab Euch erschaffen, sagte ich, und so auch mich,
doch paßt auf, wenn eines Tages ich mir nicht genüge, sagte ich.
Ach, man sei sich nie genug, sprach er, immer unstet sei der Mensch und
sucht sich selbst und seinesgleichen.
Das sei sein Glück, sprach er, denn niemand sei sich gleich. Der Arme sei
nicht immer arm, der Reiche sei nicht immer reich. So bleibe er ewig,
wie er sei und sei doch nicht zu fassen. Er sprach es und ich war an jenem
Tag erledigt. Ich war nurmehr sein Sekretär.



12.
Frankenstein: Licht blau ins Grüne gehend

Seitdem reicht es mir, und ich verbreite, wo ich geh und steh die Wahrheit über
Goethe mich und ...
Eckermann, du Schwein, wozu hast du mich getrieben?! Er hat sich alle meine
Träume erfüllt und ich habe nichts davon. Du haßt mich, auch ich hab mich selbst
betrogen, ich habe ihn ja gemacht. Lassen sie mich los, ich bring die beiden um.
Ich mach dich fertig. Eckermann, du Schwein. Und Goethe, du wirst eingestampft,
denn über mein Produkt bestimme ich!
Nein, bleiben sie weg mit der Spritze! Was haben sie vor?
Ich bin ganz ruhig. Aber glauben sie mir doch, nicht ich bin verrückt, die Welt ist es.
Jetzt erwarten sie sicher, daß ich ihnen mein Leben erzähle, aber das werde ich nicht
tun, mein Leben tut hier nichts zur Sache. Mein Leben geht niemanden etwas an,
und was ich erzähle, bestimme ich.
Meine Biographie ist keine Krankengeschichte.
Aber Herr Kollege, so bleiben sie weg und pfeifen sie diesen Pavian zurück!
Pfeifen sie ihn zurück! Geh weg!
Machen sie mich los. Bitte sagen sie ihm doch, er soll mich losmachen. Sehen sie,
ich bin ganz ruhig. Ich bin ganz ruhig, Herr Doktor. Ihr macht mich kaputt. Macht
mich bitte nicht kaputt. Die Spritze. Was ist da drin? Sie wollen mich wieder
menschlich machen? Ich bin doch Mensch, der Goethe ist ein Kunstprodukt. Ich bin
nicht verrückt! Nur ein Beruhigungsmittel? Hat der Eckermann euch geschickt.
Ich will in mein Labor. Ich habe ihn erschaffen. So verstehen sie doch! Nein!!!!



13.
Video Eckermann:

Vielleicht entspringt der Siegeszug der Biologie auch der Hybris, als Chronist
nicht nur den historischen Menschen schaffen zu wollen, sondern den aktuellen
und sich dabei des Geldes und der Biologie zu bedienen, es nicht dabei belassen
zu wollen, schreibend das Geschehene zu gestalten, sondern handelnd das
Geschehen. Doch dacht ich niemals an die Bedrohung durchs Produkt, immer
nur an seinen Nutzen. Einzig Sorge machte Frankenstein.
Er fühlt sich betrogen um den Ruhm und um die Stein. Wohl mehr um die Stein
als um den Ruhm. Und ich hatte ihn gewarnt, schon als ich ihn in Ingolstadt
zum ersten Male traf.


14.
Frankenstein Licht grün:


Kreisläufe, wunderbare Kreisläufe. Natur: Eines ergibt sich allmählich aus
dem Anderen. Eines wird zum Anderen und findet sich am Ende wieder selbst.
Aber am Ende ist der Anfang, also: das Ende ist kein Ende sondern der Anfang.
In der Puppe entwickelt sich der Falter, um Eier zu legen, denen Raupen
entschlüpfen, welche sich verpuppen, die Raupe enthält den ganzen Falter und
die Puppe die Raupe und so weiter. Alles ist in allem.


Als ich Kind war, war es Gott, der alles geschehen ließ. Doch dann kam der Tod.
Er nahm mir meine Mutter, und ich wußte, daß es Gott nicht gibt. Nur die Natur
kennt keine Reue und ist das, was wir grausam nennen. Ich hätte ihr soviel noch
zeigen können an Wunderbaren der Natur. Doch nahm die Natur mir meine
Mutter; und es war nicht wunderbar, es war grausam. Erst Jahre später sah ich
in der Stein ein Weib, das meiner Mutter gleichkam, und ich wollte die Natur
verbessern für die Stein, ich wollte ihr das Wunderbare schaffen, aus meinem Wissen.
Allmählich? Nein, am Wasser ist ein Gleichnis.
Und das Wasser?
Was war das Wasser? Was ist mit dem Wasser? Es muß den Zustand geben,
da das Wasser, wenn es gefriert, eine zähflüssige Masse bildet. Sie verstehen?
Das Wasser! Erst ist es flüssig, dann ist es fest. Es muß einen Zwischenzustand
geben, vielmehr unendlich viele Zwischenzustände, wenn das Wasser gefriert,
könnte man denken, muß man denken. Aber das Wasser ist nicht zähflüssig,
ist flüssig oder fest nur, ist Wasser oder Eis. Das Wasser ist Revolution.
Wenn es gefriert, springt es ins feste, verfestigt sich nicht, vereist nicht, ist
Eis, wie es Wasser war, ist Wasser, wie es Eis war, erstarrt im Moment,
in dem es zerfließt.


Und der Geist? Ist er Geist? Erstarrt Natur zu Geist? Wo aber ist der Gefrierpunkt?
So fragte ich, schon kein Kind mehr, der Krieg hatte mich nach Ingolstadt
verschlagen. Wo ist der Gefrierpunkt?     
Erstarrt Natur zu Geist oder ergießt sie sich in Geist? Und wenn ein Mensch stirbt,
erstarrt er dann nicht zu Natur? Oh ja, im Krieg verläßt der Geist die meisten und läßt
sie erstarren und dann sind sie nur noch Material.
Es mußte also so sein, daß Natur sich in Geist ergießt. Und Elektrizität ist fließende
Natur, ist Bewegung ohne Stoff, nur am Stoff, und Elektrizität in Form ist Geist.
Ich mußte also Formen haben, die die Elektrizität eindämmen, daß sie sich in Form
ergieße und nicht im Kosmos sich verliere. Körper mußte ich Schaffen und sie
mit Elektrizität zusammenbringen, die ich aus einem Blitz erlangte, und dieser Blitz
durchzuckte ihn und er hob die Augenbraue.
Eckermann hatte mir angetragen, einen solchen Mann zu schaffen, der die Welt für
sich gewinnen könnte, und mit ihm gewönne dann auch ich sie; dies sei mein Vorteil
und mein Lohn. Und ich wollte nicht die Welt, ich wollte nur ein sauberes Labor und
diese Frau, die meinen Kopf besetzte, kaum das ich sie sah. Vielleicht schlug Goethe
deshalb auch so bei ihr ein, bei dieser Frau, und ich mußte mit ansehen, wie er sie
um den Finger wickelte. Ich habe Goethe für die Stein gebaut, gewissermaßen, und
meine Tragik ist das ich die Stein niemals mit meinem Produkt gewann, sondern sie
an es verlor und mit der Stein die Welt. Einen schönen Menschen hatte ich erschaffen,
schön und würdig.
Und wie er dalag mit erhobner Augenbraue, umstrahlt von einem blauen Licht. Und
sicher, eine Arroganz war schon zu sehen. Ach dieses Licht.
Oh dieses Licht, es ist eine Frechheit dieses Licht. Wo bin ich hier. Ach ja, und
wieder dieser Pavian. Eckermann du Schwein, Betrüger du! Du hast mich hierher
gebracht, in dieses Licht. Machen sie das Licht aus, schnell, ich halte das nicht aus!
Und nicht schon wieder so eine Spritze!



15.
Eckermann:

Doch dann kam der scheinbar unglückselige Tag, der sich dann doch als Glück
herausstellte, nur nicht für Frankenstein.
Dieser war auf den Heimweg in sein Labor, welches natürlich auch sein
Zuhause war. Er kam vom Scharfrichter, kam von der Leichenschau und
hatte sich manch unversehrtes Körperteil ausgewählt für seine Monsterwerkstatt.
Sie kam aus dem Gericht, sie hatte irgendwen besucht und stand auf der Vortreppe,
umstrahlt von Frühlingssonne als Frankenstein vorbeieilte. Frankenstein stockte und ...,
sie kennen den Anblick eines Rabenkopfes, wenn dieser scheinbar ungläubig etwas
beäugt, solchermaßen stieß Eckermann den Kopf vor und zuckte zurück, mal das linke,
mal das rechte Auge zugekniffen und das jeweils andere auf das Objekt gerichtet.
Das ging so eine Weile, bis seine Hand Halt in der Luft suchte, da er zu schwanken
anfing und sich seitwärts neigte. Sie fand ihn nicht, den Halt, so daß Frankenstein,
in kleinen Schritten, seinem Körper folgend, sich immer weiter seitwärts beugte,
bis er mit einem staubigen Klang vor der Treppe lag. Er erntete einen belustigten
Blick der Stein, erhob sich hölzern und wankte heimwärts, diesmal wie ein betrunkenes
Huhn. Kurz: Es war um ihn geschehen. Von nun an sah sein Labor wüst aus und er
bastelte unnütze Dinge. Ich machte ihm klar, daß er die Stein nie besitzen würde,
daß aber, sollte er einen Homunkulus, einen Goethe schaffen, der bei der Stein lande,
dies doch fast das Gleiche wäre. Was sein Produkt besitze, das gehöre gewissermaßen
doch auch ihm.
Er sah mich ungläubig an, doch er war in einer erbärmlichen Stimmung, so daß er alles,
was auch nur die geringste Chance bot, ihn der Stein näherzubringen, gierig aufsog.
So blickte er zwar ungläubig, machte sich aber sofort ans Werk. An erlesenen
Materialien mangelte es ihm nicht. Und, als wäre seine steinige Liebe eine Erleuchtung,
entstand unter seinem fieberigen Blick, mit fahrigen Händen ein Meisterwerk.
Ich führte Goethe weg und stellte ihn der Stein vor.
Ja Goethe und die Stein, da wußte ich plötzlich, was Mimesis ist. Wie er vor ihr
kniete und seinen Kopf in ihren Schoß legte, Verzweiflung und Trauer spielte,
so überzeugend, daß ihm bald echte Tränen in den Augen standen. Er wickelte
die Stein um den Finger. Er bedeutete ihr, daß er nur für sie lebe und schrieb, und
es war nur eine Frage der Zeit, daß er sie für sich gewann. Frankenstein hatte ihn ja
für die Stein gebaut.
Doch merkte er bald, daß aus Goethes Vergnügen ihm keine Befriedigung entsprang.
Er mußte Stille halten und sah, wie seine Produktion des Menschen an allen Stellen
angewendet ward. Doch hat er es nie begriffen. Was sich seiner Hand entzieht,
erkennt Frankenstein nicht. Der Staat bastelt sich ein Volk, die Industrie bastelt
sich die passenden Lohnarbeiter, die Medizin sich die Patienten. Er, der ewige
Mechanist, sieht den Goethe immer noch als sein Produkt, nur weil er diesen
physiologischen Organismus zusammengezimmert hat, mit etwas zu kurzen Beinen,
und denkt, das genüge schon für ein Genie.
Die Hülle war leer, ich hab sie angefüllt und aus den groben Händen Schreiberhände
gemacht und aus dem Kopf den Dichterkopf. Ich hab den Rohling geformt, die
Welt in ihn gesetzt. Jetzt strömt sie uns zurück.
Der nunmehr aggressive Frankenstein rannte durch die ganze Stadt und brüllte rum,
er hätte Goethe erschaffen, erntete nur Hohn und Spott, wurde letztlich aufgegriffen
und ins Irrenhaus gesperrt.
Was aber bleibt, bestimmt der Chronist. Der Chronist ist es, der die Helden schafft.
Frankenstein wird kein Held, Frankenstein wird eine Figur. Frankenstein ist
unwirklich wie die Natur, die hinter ihrem Bild zurückbleibt. So geht er ein in
die Vergangenheit und lebt nur als gefühlvolle Erinnerung und als Makel, den der
Wissenschaftler, der dem Helden nicht gesonnen ist, am Helden findet.



16.
Frankenstein, Licht rot:

Mein Körper... Mein Körper... Oh, diese Präparate, wie Drähte an meinen Schläfen,
fühle ich Nadeln. Nadeln in der Luft. Blitzzucken, durchschlagen Nadeln meine
Schläfen, Nägel fast, und mein Bauch. Ein Tumor, mir träumte von einem Tumor.
Krebsgeschwür unter meiner Bauchdecke. Ich konnte es fühlen und mit beiden
Händen umfassen, das Krebsgeschwür. Es war rund wie eine Kugel. Es war kugelrund,
eine Krebskugel. Ich hielt es erst fest, bis ich entdeckte, die Krebskugel ließ sich
bewegen, lag wie ein Fremdkörper in meinem Bauch. Ich bewegte den Krebs.
Ich bewegte die Kugel, bewegte sie erst nur hin und her. Mir kam der Gedanke
eines Ausgangs. Ein Ausgang aus meinem Körper, nur für die Kugel, wenn nicht
für mich. Mir wurde schwindelig. Vielleicht, dachte ich, vielleicht bin ich ja die Kugel.
Vielleicht bin ich ja der Krebs, vielleicht bin ich ja die Krebskugel. Ich suchte also
nach einen Ausgang, indem ich die Kugel durch meinen Körper bewegte, so gut
es ging, so gut meine Hände es konnten, an Orte die meine Hände erreichten. Ich
suchte die undichte Stelle in meiner Haut, die Stelle, um die Kugel und vielleicht
auch mich aus meinen Körper zu befreien. Ich suchte das Loch in der Haut des
häßlichen Körpers, der bisher Frankenstein war. Allein es gab da kein Loch.
Der Körper war in dieser Hinsicht vollkommen, vollkommen dicht. Es verließ
mich der Mut. Es verließ mich der Mut, mich von der Kugel, mich von mir zu
befreien. Es verließ mich der Mut. An die Stelle des Mutes trat Verzweiflung.
Sie hatte immer schon hinter den Mut gelauert. Schwer wurde die Kugel.
An die Stelle des Mutes trat Gewalt, die Gewalt der Verzweiflung. Schwer
wurde die Kugel. Die Hände stellten die Suche ein. Die Hände ließen die
Kugel fallen. Schwer fiel die Kugel in die Eingeweide. Der Schmerz wurde
der Gewalt zur Nahrung. Der Schmerz hielt an und fütterte die Gewalt, und
die griff nach den Händen.  
Die Hände, von der Gewalt ergriffen, versuchten die Bauchdecke zu öffnen.
Sie krallten sich in die Haut der Bauchdecke. Sie zerrten die elastische Haut
der Bauchdecke auseinander. Sie ließen von der elastischen Haut der Bauchdecke
ab. Die Bauchdecke zog sich in sich zusammen wie eine Nacktschnecke. Sie
zog sich schmerzhaft zusammen. Sie zog sich zusammen wie ein zertretener
Regenwurm. Der Schmerz fütterte wiederum die Gewalt und diese ergriff
erneut die Hände, welche sich in die noch schmerzende Bauchdecke krallten.
Der dauernde Schmerz ließ die Gewalt dauern. Der Schmerz pulsierte. Die
Hände zerrten im Rhythmus des Pulses der Schmerzen. Wieder und wieder
und wieder. Es zeichneten sich die Blutspuren geplatzter Äderchen ab.
Ein reißender Schmerz ließ die Gewalt sich bäumen. Die Bauchdecke gab
den Händen nach und die Bauchhöhle frei. Zwischen den Därmen lag die Kugel,
die sich nun entrollte wie ein Gürteltier, aber zunehmend menschliche Gestalt
gewann. Ich sah die Gestalt, sich aus dem Gedärm wühlend, herausarbeiten.
Ich sah die Gestalt, wie sie meinen Körper verließ. Ich sah die Gestalt.
Es war nicht ich. Es war - Goethe.
Die Gestalt bewegte sich von mir fort, geführt von Eckermanns Schatten. Sie
bewegte sich auf eine andere Gestalt zu, die soeben in meinen Gesichtskreis
trat. Ich konnte die Gestalt einer Frau erkennen. Ich konnte die Gestalt einer
schönen Frau erkennen. Ich konnte die Idealgestalt einer Frau erkennen.
Ich konnte die Gestalt meiner Mutter....
Mutter! Aber meine Mutter war tot. Aber meine Mutter war auferstanden
in meinem Traum. Meine Mutter, der ich die wunderbaren Seiten der Natur
zeigen wollte, war auferstanden in meinem Traum, aber nicht für mich.
Sie war auferstanden für mein Geschöpf, und beide, mein Geschöpf und
meine Mutter zeigten mit den Fingern auf mich und lachten. Und sie lachte
das Lachen der Stein.
Eckermann, du Schwein. Eckermann, du Schwein hast mich hereingelegt.
Eckermann, du Schwein.



17.  
Eckermann:

Allerdings wird auch niemand angesichts der Geschichte an den Chronisten
denken. Aber der Chronist wird sein, solange es Geschichte gibt. Mit dem
Chronisten würde Geschichte verschwinden und fände sich nur noch als Zeichen,
als Sockel, verstehen sie, als in Kupfer getriebene Anwesenheit, als der Vergängnis
verfallende Ewigkeitsheuchelei, verstehen sie?!
Er war ja meine Lüge. Und jetzt ist die Lüge ewig. Nicht Fleisch und Blut sind Lüge.
Lüge sind Name und Geschlecht, Individualismus und Biographie, mächtige Lügen,
und ich dachte, ich hätte alles im Griff, könnte sozusagen die Lüge auskontern.
Ich hatte ihn erschaffen und sie haben ihn genommen, wie er sich selbst.
Ich dachte, ich hätte alles im Griff, erhalte mich am Leben, indem ich ihm zu Leben
verhalf, zu Leben und Ruhm. Mich am Leben erhalten heißt, präsent sein als Gedanke.
Aber der Ruhm frißt seinen Vater, oder vielmehr, der Ruhm depotenziert seinen Vater.
Ich will keine Dankbarkeit, ich will Gerechtigkeit. Verdammt, ich bin kein Sekretär,
ich bin der Vater seines Ruhms, der Vater, verstehen sie, der Vater des Ruhms bin ich.
Sie kommen über Euch, ihr werdet es sehen, sie kommen über euch. Ewigkeit!
Sie sind überall, Frankensteins Geschöpfe. Sie wollen den Chronisten ersetzen.
Sie wollen den Geist durch die Biologie ersetzen. Der erste Schritt war Goethes
Emanzipation von seinem geistigen Vater. Als Väter bleiben dann noch die
erfundenen Biologischen. Wir haben sie nicht mehr im Griff, die Geschöpfe.
Ich hatte alles so gut geplant.
Die Ratten wachsen zu Menschengröße.

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