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Enno Ahrens: Apokalypse

Gedichte > Zeitzünder

Enno Ahrens
 

Apokalypse

Ohne Freude war ich, die früher mal
angehoben hatte wie ein gasgefüllter
Luftballon; er hatte die Neigung verloren
zu zerplatzen. Lag im Sarg Probe, die
Glühwürmchen längst verglimmt, herbstkalt
die Glieder. Dem Arzt wollte ich zukünftig
nur noch vertrauen wie meinem Frisör, bis
ein Ohr ab wäre; wollte pro Jahr nur noch
einen Kandisberg versetzen auf meiner
kiesgrauen Flora. Die Sehnsuchtsschläge der
Nachtigall schienen endgültig verstummt zu
sein, es quakte nur noch das Froschkonzert.
Gestrandeter Fisch war ich, den nichts
mehr angetrieben gehabt hatte, und
der so angetrieben war.

Kulturevolutionsschock wollte ich werden, mit
Bullenborke angehen gegen das Erschlaffen,
mir blitzblanke dritte Zähne wachsen lassen,
mich durchbeißen durch meinen
neuen Verpuppungskokon, entfaltete
den Falter in mir; blies mir frischen Wind
unter die steifen Flügel.

Eine Todeskapsel führte ich mit mir.
Das verlieh mir ein gutes Gefühl, sollte
mein Leben unerträglich werden.
Dann stolperte ich durch einen
finsteren Wald, flehte, käme doch
ein Lichtblick; streckte beide Hände
aus in Richtung Himmel; da biss
das Schicksal ganz fest zu, mir
beide Arme ab und kein
MacGyver da, der mir diese blöde
Pillendose geöffnet hätte.
Überraschend kam ein Rettungswagen,
der sich verfahren hatte. Nun waren
beide Arme wieder dran.
„Eine Fügung von etwas Höherem“,
frohlockte meine Mutter. „Das
Leben hat noch etwas vor mit dir.“
Drei Tage später traf sie der Schlag,
höchste Pflegestufe.

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