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Diverse: Wo man spazieren gehen kann und es Orangenbäume gibt

Rezensionen/Lesetipp > Kurzkritiken


Kristian Kühn

Glykeria Basdeki, Niki Chalkiadaki, Katerina Chandrinou, Eleni Galani, Phoebe Giannisi, Anna Griva, Xenia Papadopoulou, Alexandra Sotirakoglou: Wo man spazierengehen kann und wo es Orangenbäume gibt. Gedichte. Übersetzt von Jorgos Kartakis und Dirk Uwe Hansen. Leipzig (Reinecke & Voß) 2018. 106 Seiten. 12,00 Euro.


Der Mond als Holzwurm der Nacht

Dieser Band hätte eine viel längere Rezension und viel frühere Aufmerksamkeit verdient. Doch tun es die Verleger einer Öffentlichkeit auch nicht leicht, weder mit dem Titel, noch damit, dass acht griechische Namen als Autorschaft aufgelistet werden, die nur Eingeweihte kennen können, nicht aber auf den ersten Blick deutlich wird, dass es sich dabei ausschließlich um ein weibliches Ensemble – also nicht um „Neue Lyrik aus Griechenland“, was zwar stimmt, sondern speziell um den Blick von acht modernen Lyrikerinnen auf ihre antike Tradition wie auch auf ihre heutigen Lebensbedingungen in einer Gegend handelt, die immer noch als Wiege unserer Kultur, speziell der Mythen und besonders auch des Mythos unserer Demokratie gilt. Trotz aller Schwierigkeiten.

Und dabei hat es gerade dieser weibliche Blick auf die eigene archetypisch tradierte Genderstruktur mehr als in sich. Sowohl poetisch:

Der Mann da
hat ein Lied
verschluckt    (Glykeria Basdeki, o.T.)

als auch bezüglich ihrer Anknüpfung an die antike Form der Seelenführung:

Heute dachte ich mir mich selbst als Tote.
(Niki Chalkiadaki, Unterbrechung)

als auch vom heutigen Genderstandpunkt her:

Irgendwo im Zentrum meines Bettes ist ein schwarzes Loch,
das führt ins Mittelalter.
Fällst du hinein, triffst du greise Rechtsgelehrte mit schwarzen Talaren,
[…]
aufgehobene Regelwerke und Verordnungen …  (Katerina Chandrinou, Puritanismus)

die es aufzuheben gilt, was aber mit einfachen Mitteln kaum möglich zu sein scheint:

Ich versuchte
Ändern (ALT)
Kontrollieren (Ctrl)
Löschen (DEL)

Vergeblich    (Eleni Galani, Default)
        
Dann neue Gedichte der bereits mit einem Einzelband von den beiden Übersetzern herausgegebenen Phoebe Giannisi, die gerne mythische Heroen und Heroinen ins Heute verlegt und zeitlich kontrastiert, sowie ausgewählte Gedichte aus dem auch im selben Hause bereits verlegten Buch „Glaub den Wörtern nicht. Sieh hin“ – von dem ich schrieb, es handle sich dabei vornehmlich um eine „Beschwörung des Weiblichen“:

Das Dunkel will ich,
nach dem Dunkel sehne ich mich,
dort wird mein uraltes Element leuchten,
dort werde ich dann den Mond nicht mehr sehen,
diesen Holzwurm der Nacht.    (Anna Griva, Gebet)
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