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Darío Ruiz Gómez: Das verlorene Reich

Gedichte > Gedichte der Woche
Foto: Tobias Wenzel

DARÍO RUIZ GÓMEZ

aus dem kolumbianischen Spanisch von Peter Schultze-Kraft


Das verlorene Reich

Wenn ein Kind dich ansieht,
dann liegt in seinen Augen,
bevor es mit einem schwerwiegenden Wort belegt wird,
etwas Abgründiges,
etwas, das von weit her kommt
und das sich hartnäckig gegen die täglichen
Unaufrichtigkeiten der Eltern
– eingeschliffene Muster seit Menschengedenken –
wehrt: eine angestaute Wut,
die gleich platzen will. Daher kommt es,
dass die Kinder in den Ferienhäusern auf dem Land
immer die dunklen Ecken suchen, den kühlen Schatten
der Keller, die vom Moos verdeckten Höhlen,
als könnte dieses trotzige Licht
ihnen den Himmel zurückgeben,
die geliebte Musik, die lieblichen Täler
ihres verlorenen Reichs.
 

in alba.lateinamerika lesen #11, 2018

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