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Constantijn Huygens: Euphrasia - Augentrost

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Jan Kuhlbrodt

Trost und Gebrechen



Der Name Huygens war mir schon ein Begriff, denn so hieß eine Raumsonde, die an Bord der Cassini zum Saturn flog, und sich dort von der Muttersonde löste, um auf einem der Monde zu landen. Reale Sciencefiction sozusagen. Ihren Namen verdankte die Sonde einem nieder-ländischen Gelehrten und Physiker, welcher der Sohn von Constanijn Huygens war.

Letzterer lebte von 1596 bis 1687, war ebenfalls Gelehrter und Diplomat und strenger Calvinist. Er widmete seine Freizeit dem Schreiben, wie es die protestantische Arbeitsethik verlangt, und wurde so zu einem Klassiker der niederländischen Literatur. Das heißt, in den Niederlanden kennt ihn jedes Kind oder zumindest jeder Schüler.

Deswegen ist es verwunderlich (oder ärgerlich), dass sein Text Euphrasia / Augentrost, der einzige ist, der derzeit in einer Übersetzung von Ard Posthuma vorliegt. Kein Wunder, dass der Text im Leipziger Verlag Reinecke & Voß erschien.

Zu Huygens schreibt Posthuma im Nachwort:

Schon mit sechzehn trug er eine Brille. Im Freien. Und wurde deshalb schief angesehen: „Sollten doch die Leute, die mich in meiner Jugend wegen meiner Brille verhöhnten, einsehen, dass ich mich damit keineswegs interessant machen wollte, sondern nur versuchte, keinen Anstoß zu erregen, wenn ich nicht als erster grüßte, was manche für wichtig halten.“


Es wurde und wird so einiges an niederländischer und flämischer Literatur übersetzt. Meist oder fast ausschließlich handelt es sich dabei um Texte der Gegenwart oder des zwanzigsten Jahrhunderts. Dass aber der vergleichsweise kleine Sprachraum eine großartige Literatur-geschichte vorzuweisen hat, bleibt dabei außen vor. Hinzu kommt, dass es sich dabei um klassische Werke und gut abgehangene Arbeiten handelt, sie also die Zeit hatten, ihr eigenwilliges Aroma und ihren Humor zu entfalten. Und Humor scheint mir auch bei diesem Text einer der Hauptanker zu sein, der mich am Lesen hielt, denn das Gedicht hat immerhin über tausend Verse. Und beim Lesen sagte mir immer wieder das Gefühl, auch der Übersetzer hatte seine Freude am Text und teilt sie mir in der deutschen Version mit.

Die Zornigen sind blind, das merkt man von alleine.


So lautet beispielsweise ein Vers, der gleichzeitig ein ganzes Kapitel einleitet und sich einschmiegt in eine lange lyrische und zuweilen ausufernde Abhandlung über die verschiedensten Formen von Blindheit.

Entstanden ist der Text in der Tat als Trostbuch für die siebenundfünfzigjährige Freundin des Autors, die erblindete. Augentrost ist aber auch der Name eines Krautes, das fast weltweit verbreitet ist. Posthuma schreibt im Nachwort:

Wurde in der ersten handschriftlichen Fassung die Freundin damit vertröstet, dass es auch unter den Sehenden zahlreiche Blinde gebe, wurde im zweiten Zug der Katalog, der dem Dichter im Vers 131 bereits vorschwebte, im Nachhinein um zwanzig Figuren erweitert, ...


Im Ergebnis haben wir eine Typologie der Gesellschaft, die alles andere als veraltet ist. Huygens verweist mit ironischer Freude, auf die Blindpunkte, die ein jeder hat. Und zumindest für mich wirkt das wirklich tröstlich.


Constantijn Huygens: Euphrasia – Augentrost. Langgedicht. Leipzig (Reinecke & Voß) 2016. 56 S. 8,00 Euro.

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