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Şafak Sariçiçek: für ahparig für hrant dink

Gedichte > Zeitzünder

Şafak Sariçiçek:

für ahparig für hrant dink
 

 
im tiefsten morast, im dunkel der rückwärtsgewandtheit,
 
in den zentren der marionettenspieler und das spiel heißt macht
 
erhalt, muss man irgendwann beschlossen haben, dich zur
 
zielscheibe zu machen, dich, der du in waisenheimen großgeworden
 
und der du die völker stets als eine familie begriffen hast, der du in
 
deinen artikeln schriebst, die menschen müssen miteinander,
 
nicht nebeneinander leben, der armenier kurde türke der mensch müsse
 
jeweils zu seinem gegenüber werden, zum armenier zum kurden zum türken
 
also zum anderen menschen, also sich in die lage des anderen
 
hineinversetzen, damit man zusammen leben kann.
 

 
man hat dich aus dem tiefsten morast der macht zur zielscheibe
 
gemacht, aber du bist geblieben, bliebst bei der gefahr, weil du ein
 
mensch warst, der mit seinen ideen und seinen texten stets danach trachtete,
 
die hölle auf erden zum himmel zu machen und die gefahr war stets bei dir
 
oder warst du stets bei der gefahr, du, lieber hrant dink, der
 
sich der dunklen macht bewusst, einer taube gleich empfand,
 
innerlich angespannt, aber eben so frei.
 

 
du sagtest, die armenier sind gegenüber den türken
 
traumatisiert und die türken in paranoia gegenüber den armeniern
 
nur ein ausweg in sicht: heilung in gegenseitigkeit, kein außen
 
stehender könne beiden völkern, beiden klinisch kranken
 
zur genesung verhelfen, alleine gegenseitige heilung und
 
auch dem galten die drei kugeln.
 

 
du sagtest, die menschen der türkei können keiner taube
 
etwas zuleide tun und einem menschen die taubenfreiheit
 
wegzunehmen, sei ein weitaus größeres verbrechen als
 
es urteile jemals sein können und auch dem galten die kugeln
 
auch dem galt die seelentote anweisung der tyrannei.
 

 
deine stimme, ihnen zu laut, ihnen zu ehrlich, zu human,
 
deine stimme aus einer schweigenden mehrheit heraus
 
scheinend, im angesicht der erstickenden freiheit,
 

 
ein mensch der uns fehlt, dessen ständige arbeit, um aus den höllen in denen
 
wir leben, lebenswerte paradiese zu schaffen, immer mehr menschen mit
 
der unruhe und ebensolchen freiheit der tauben folgten und folgen, in diesem
 
moment,
 

 
in redaktionsbüros, in gefängnissen, in gerichtssälen und der tag wird auch
 
kommen, wo wir miteinander leben, nicht nebeneinander und der tag wird kommen,
 
ohne dunkle mächte, der tag an dem niemand es mehr wagt, nach unsren taubenseelen,
unseren seelen, in aufruhr und frei, keiner es wagt, nach ihnen zu greifen, der tag kommt,
aber du wirst uns fehlen, ahparig, du fehlst uns.
 
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